HERISAU. Durch die Lüftungsklappe unter der Frontscheibe spähte Bernd Geldmacher jeweils auf die Strasse. Das war im Citroën 2CV seiner Tante, die er als Knabe auf Ausfahrten begleitete. Schon damals war für ihn klar, dass er eines Tages ein solches Auto fahren würde. «Der Döschwo war von Anfang an Kult», sagt er jetzt im Krombachsaal in Herisau. Bis heute hat die Ente - wie sie die Deutschen nennen - in der Schweiz eine treue Fangemeinde. Auf Einladung von Geldmacher traf sie sich dieses Jahr über Pfingsten zum 45. Mal auf einer Wiese hinter dem Psychiatrischen Zentrum.
Platz für zwei Bauern in Stiefeln
Als Citroën-Direktor Pierre-Jules Boulanger 1934 den Auftrag für einen minimalistischen Kleinwagen erteilte, waren seine Anforderungen klar: Das Auto sollte Platz für zwei Bauern in Stiefeln und einen Zentner Kartoffeln oder ein Fässchen Wein bieten. Und es sollte so gut gefedert sein, dass ein Korb voll mit Eiern eine Fahrt über holprige Feldwege unbeschadet überstehen würde. Am 7. Oktober 1948 wurde auf dem Pariser Automobilsalon der Citroën 2CV enthüllt. Dessen Funktionen waren aufs Wesentliche reduziert. «Was du nicht hast, kann nicht kaputtgehen», fasst Bernd Geldmacher die Philosophie zusammen. Der Motor war luftgekühlt, es gab keine Zündung und das Chassis wurde für mehrere Modelle entworfen. Bernd Geldmacher, inzwischen 55 Jahre alt, wirkt als Organisator, als wäre er das stolze Oberhaupt einer Grossfamilie. In der Szene nennen sie ihn Lurch - oder Dölüggs. Das ist auch der Name seines Döschwos, den er zum Sattelschlepper umgebaut hat. Auf der Ladefläche steht eine Bierzisterne, aus der Quöllfrisch sprudelt. Geldmacher besitzt zwei weitere Döschwos: einen grünen namens «Green Monster» und einen weissen, den «bunten Hund». Einige Döschwo-Liebhaber haben für das Treffen halb Europa durchquert. Oliver Baumgartner ist mit seinem Sohn Lukas zwölf Stunden aus Kärnten angereist. Er hat seinen Döschwo zum Cabrio umgebaut und ihm riesige Auspuffrohre verpasst. Seine Ente heult wie ein Rennwagen: Baumgartner grinst verzückt, die Nachbarn verziehen ihre Gesichter. Auf der anderen Seite der Wiese haben sich Westschweizer und Franzosen eingerichtet. Zwei von ihnen sind Herbert und Anne-Lise Chevalley, die aus dem Waadtland kommen. Sie stehen vor einer quietschgelben Ente mit 007-Aufschrift. James Bond fuhr sie 1981 im Film «In tödlicher Mission». Citroën gab daraufhin eine limitierte Spezialedition heraus und lieferte die Einschusslöcher zum Aufkleben gleich mit.
Sinnliches Erlebnis
Es ist nicht nur das Auto, es geht um ein Lebensgefühl. Das wird deutlich, als Bernd Geldmachers Ehefrau Christine auftaucht. Die Französin serviert Canapés mit Gänseleber und und Weisswein. Eigentlich ist Geldmacher nämlich ein rationaler Typ. Er arbeitet beim Ausserrhoder Spitalverbund als Informatiker und kandidierte als Parteiunabhängiger für den Gemeinderat Teufen. Beim Döschwo zeigt er jedoch Gefühle. Die Automechanik hat für ihn nichts Kaltes, sondern ist sinnliches Erlebnis. «Ein Döschwo-Motor klingt einfach herzerfrischend.»