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Das «Ding» aus Lichtensteig

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Das Schweizerische Nationalmuseum hat ein Buch herausgegeben, das 26 Objekte aus 26 Kantonen zeigt. Der Kanton St. Gallen wird durch Jost Bürgis Himmelsglobus vertreten.

LICHTENSTEIG. Rund 850 000 Objekte bewahrt das Schweizerische Nationalmuseum in seinen drei Häusern, dem Landesmuseum in Zürich, Château de Prangins bei Nyon und dem Forum Schweizer Geschichte Schwyz, für die Nachwelt auf. 26 davon finden sich in einem handlichen und originellen Buch, das dieser Tage aus Anlass der Eröffnung des Erweiterungsbaus für das Landesmuseum Zürich (das Toggenburger Tagblatt berichtete) erschienen ist.

Unter dem Titel «26 Dinge» präsentiert es auf 112 Seiten je ein Ausstellungsobjekt aus jedem Kanton der Schweiz. Aus dem Kanton Tessin beispielsweise den Helm eines römischen Soldaten. Aus dem Kanton Wallis eine hölzerne Madonna. Und aus dem Kanton St. Gallen? Den Himmelsglobus des Lichtensteiger Uhrmachers und Instrumentenbauers Jost Bürgi.

Eintauchen in erloschene Epochen

«26 Dinge» soll das «Eintauchen in erloschene Epochen» ermöglichen, heisst es im Vorwort des Bandes. Tatsächlich ist die beschauliche Betrachtung die originelle Stärke dieser Text- und Bildersammlung. So legt sie den Beweis dafür ab, wie spannend Geschichte sein kann. Denn hinter jedem Objekt verbergen sich eine Biographie, ein Schicksal oder eine Erzählung.

Als Beispiel dafür mag die Armbanduhr «Speedmaster» aus dem Hause Omega herangezogen werden, das «Ding» aus dem Kanton Bern. Als der US-Astronaut Neil Armstrong am 21. Juli 1969 als erster Mensch den Mond betrat, trug er - nein, keine Schweizer Uhr. Er hatte seine «Moonwatch» absichtlich zurückgelassen, weil an Bord der elektronische Chronometer ausgestiegen war. Erst Edwin Aldrin, der Armstrong wenige Minuten später folgte, trug seine Uhr wie geplant. Ähnlich packend ist die Geschichte, die hinter dem Objekt aus dem Kanton St. Gallen steht. Der Toggenburger Jost Bürgi stellte 1594 als Hofastronom im deutschen Kassel aus Messing, Silber und Gold seinen Himmelsglobus fertig. Als erstes mechanisches System war er in der Lage, den Schalttag des 29. Febrvarivs (Februar) automatisch anzuzeigen. Und das nur einige wenige Jahre später, nachdem die Kalenderreform unter Papst Gregor XIII. endlich der Tatsache gerecht worden war, dass ein Jahr halt genaugenommen 365,2425 Tage dauert. Das war revolutionär. Denn bis die Stadt St. Gallen beispielsweise 1724 die gregorianische Zeitrechnung annehmen sollte, vergingen lange 130 Jahre. Aufgeteilt auf 49 gravierte Sternbilder zeigt der sich drehende Automat den Lauf von mehr als 1000 Gestirnen an.

Die Wahl des Zeitmessers als «Ding» aus dem Kanton St. Gallen ist eine Ehre für das Toggenburg und mehr als gerechtfertigt: Denn der Himmelsglobus, der den Kosmos als kugelförmige Sternkarte abbildet, komprimiert alles mechanisch-astronomische Wissens der Renaissance in einer prunkvollen Hülle, in der sich ein Getriebe mit zwei Federmotoren versteckt. Ein Meisterwerk.

Prestige und Sinnbild von Herrschaft

Der Bürgi-Globus wird heute auf verschiedene Weise verstanden. Für den Forscher ist er ein wissenschaftliches Instrument. Für den damaligen Besitzer, Kaiser Rudolf II., ein Prestigeobjekt und ein Sinnbild von Reichsapfel und Herrschaft.

Die Lehrer jener Epoche ein didaktisches Modell. Und für Bürgi selbst war er eine Art «wissenschaftliches Publikationsorgan»: Denn das Instrument berücksichtigt die damals neuesten Erkenntnisse im heliozentrischen Weltbilds nach Kopernikus.

«26 Dinge», Verlag Scheidegger & Spiess, Schweizerisches Nationalmuseum, 73 Abbildungen, 19 Franken

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