TOGGENBURG. Im Januar 2015 reift in Greta Gantenbein der Wunsch, das Erlebte auf Papier zu bringen. Zwölf Monate später ist das Werk vollendet. Als Erstleser stellen sich ihre Kinder Carla (38) und Basil (36) zur Verfügung, die der Meinung sind: «Mami, das ist so spannend geschrieben, das interessiert noch mehr Menschen.»
Die Suche nach einem Verlag klappt auf Anhieb. Sie rennt bei der Verlegerin Gaby Baumann-von Arx vom Wörterseh-Verlag offene Türen ein. Diese meldet sich zwei Tage nach Einsendung des Manuskripts telefonisch: «Das machen wir.» Selber ehemalige Air-Hostess, ist sie vom Erfolg des Buches überzeugt.
Scheidung bedroht die Existenz
Mit «Zweite von links» ist ein Buch entstanden, das auf 205 Seiten die Lebensgeschichte der heute 68jährigen Greta Gantenbein erzählt. Kapitel 5 beschäftigt sich mit dem Toggenburg und im Speziellen mit Gähwil, wohin es die gebürtige Zürcherin nach der Heirat 1976 mit ihrem ersten Ehemann zieht. Hier kommen 1978 Tochter Carla und zwei Jahre später Sohn Basil zur Welt. Als die Ehe in die Brüche geht, ist dies für die ab sofort alleinerziehende Mutter existenzbedrohend. Hilfe kommt von ihrer Nachbarin Hanny, die sich spontan bereit erklärt, auf die Kinder zu achten, damit Greta Gantenbein als Air-Hostess zur Swissair zurückkehren kann. «Wir hatten im Unteren Toggenburg eine Art Paradies gefunden, in dem es ganz viele Menschen immer wieder gut mit uns meinten.» Sie erinnert sich an die Logopädin Eva Schönenberger, die Verständnis für die Situation zeigte und so manche Hürde unkompliziert übersprang. Viel Unterstützung bot auch Primarlehrer Max Schneider an. Dankbar blickt Greta Gantenbein auf die Begegnungen mit Paul und Lilly Thalmann zurück. Sie sorgten als damalige Nachbarn dafür, dass bei ihrer Rückkehr aus der weiten Welt die Stube jeweils wohlig warm war. «Ich habe die Menschen im Toggenburg als sehr liebenswürdig, offen und zuvorkommend in Erinnerung und behalte sie immer in meinem Herzen. Zu ihnen gehören auch das Posthalterehepaar Louis und Bea Huber.» Obwohl Greta Gantenbein im Schöchli wohnte, das rund einen Kilometer ausserhalb Gähwils liegt, pflegte sie den Kontakt mit der Dorfbevölkerung. Es war für sie eine Selbstverständlichkeit, die Einkäufe im Dorfladen zu tätigen. Kraft fand sie immer wieder dank Spaziergängen in der Natur. Speziell die Wälder rund um Gähwil wurden zur wichtigen Energiequelle. Nebst dem Toggenburg nimmt das Thema Swissair breiten Raum im Buch ein. Dort landet Greta Gantenbein 1969, nachdem sie nach der Schulzeit eine Lehre als Zahnarztgehilfin absolviert und sich nach mehreren Sprachaufenthalten erfolgreich bei der Schweizer Fluggesellschaft bewirbt.
Swissair-Grounding ist ein Schock
Erstaunlich offen schreibt sie über ihre zwei gescheiterten Ehen, erzählt von der heimlichen Liebschaft mit einem verheirateten Swissair-Piloten und verhehlt nicht, welche Wut sie nach dem Grounding des Schweizer Nationalstolzes vor 15 Jahren empfand. «Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter standen vor dem Nichts.» Die damals 53-Jährige kam bei der Nachfolgegesellschaft Swiss unter und liess sich fünf Jahre später pensionieren. Bis zu ihrem endgültigen Ruhestand arbeitete sie Teilzeit beim Museum Daros Exhibition sowie am Empfang beim Hauptsitz der Zürcher Kantonalbank. Das Erstaunliche: Greta Gantenbein hat in den letzten zehn Jahren nie mehr ein Flugzeug bestiegen.
Das Toggenburg hat sie nicht vergessen
Heute lebt sie im Kanton Aargau, geniesst das Leben mit Hündin Daisy, verbringt viel Zeit mit ihren Enkelkindern Liam (11) und Nevin (18 Monate) und freut sich auf die jährlichen Ferien in der Provence. Sie schätzt auch die guten Kontakte im Dorf und in der unmittelbaren Nachbarschaft, zieht sich aber gerne auch zurück, um ein Buch zu lesen.
Das Toggenburg hat sie nicht vergessen. «Einmal im Jahr bin ich ganz bestimmt in der Ostschweiz. Darüber hinaus kommt Hanny Niederer mit ihren Töchtern Monika und Susanne und Sohn Samuel hier in meiner neuen Heimat regelmässig zu Besuch.»