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Aufgabe mit vielen Emotionen

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Beinahe 20 Jahre lang begleitete Alfred Wickli die Verstorbenen in Nesslau vom Totenbett bis zum Friedhof. Nun übergibt er sein Amt an die beiden weiteren Einsarger in der Gemeinde.

Sabine Schmid
sabine.schmid@toggenburgmedien.ch

Vor rund 20 Jahren ging es schnell. Die damalige Gemeinde Nesslau suchte einen Einsarger und Alfred Wickli, gelernter Schreiner und Bauer, bewarb sich. «Innerhalb von einer Viertelstunde war alles abgemacht.» Seither hat Alfred Wickli gegen 500 Todesfälle begleitet, den Verstorbenen zum letzten Mal etwas Gutes getan und auch tragische Schicksale mitgetragen. Doch Ende Jahr ist Schluss. «Ich habe Anfang 2016 meinen Hof an die Tochter und den Schwiegersohn übergeben und hatte das Glück, nochmals eine Arbeit zu finden. Diese lässt sich jedoch schlecht mit der ständigen Bereitschaft, die ein Einsarger haben muss, vereinen», erklärt er. So habe er beschlossen, sein Amt niederzulegen. Es wird von den beiden anderen Einsargern der Gemeinde weitergeführt. Mit der Arbeit des Einsargers kam Alfred Wickli durch seine Anstellung in einer Schreinerei in Kontakt. «Mein damaliger Chef hat mich gefragt, ob ich ihn begleiten und ihm helfen wolle», erinnert er sich. Er habe ihn bei einigen Todesfällen unterstützt. «Der Umgang mit den Verstorbenen hat mir nie etwas ausgemacht», sagt Alfred Wickli. Noch heute ist er nicht allein, wenn er zu Todesfällen gerufen wird. Meistens wird er von einem Fahrer begleitet.

Emotionen sind immer mit dabei
Das Bestattungsamt der Gemeinde, der Arzt, die Spitex oder die Polizei rufen Alfred Wickli, wenn er als Einsarger gebraucht wird. Am häufigsten müsse er zu Todesfällen ins Alters- und Pflegeheim, sagt er. Dort werden die Leichen von Mitarbeitern gewaschen, angezogen und bereit gemacht. Stirbt jemand zu Hause oder auf einem Unfallplatz, übernimmt Alfred Wickli diese Arbeit. «Ich habe in meiner Amtszeit viel erlebt», sagt er. Es sei sehr individuell, wie die Angehörigen mit dem Tod umgehen. Die Erfahrung habe ihn gelernt, dass er mit Schweigen am wenigsten falsch macht. «Wer das Bedürfnis zum Reden hat, der fängt von selber an». Noch immer löst jeder Todesfall bei ihm Emotionen aus. Einige Fälle habe er nie vergessen, sie hätten ihn auch stark beschäftigt. «Aber solche muss man irgendwann wegstecken können». Am schlimmsten seien für ihn Todesfälle von Kindern gewesen und wenn jemand freiwillig aus dem Leben geschieden sei. Auch tödliche Unfälle hätten ihn getroffen. Alfred Wickli habe mit seiner Frau reden können, wenn er das Bedürfnis danach gehabt hätte.

Als Einsarger sei er eine der ersten Personen, die zu einer Trauerfamilie kommt. «Oftmals wissen die Angehörigen nicht, was sie machen müssen. Denn viele befassen sich nicht mit dem Tod, bis sie in diese Situation kommen», sagt Alfred Wickli. Einige seien froh, wenn sie bei einem weiteren Todesfall in der Familie wieder mit ihm zu tun gehabt haben. In Nesslau komme es häufig vor, dass er sowohl die verstorbene Person als auch deren Angehörige kenne. «Es ist anders, wenn man jemanden kennt», glaubt Alfred Wickli. Aber für seine Arbeit habe das nie eine Rolle gespielt.

Bestattung als Aufgabe der Gemeinde
Als Einsarger war Alfred Wickli von der Gemeinde beauftragt, sie ist es auch, die ihn pro Todesfall entschädigt. Doch mit dem Schliessen des Sargs ist Wicklis Aufgabe noch nicht erledigt. Er ist jeweils bei der Bestattung dabei und besorgt alles, was nicht in die Zuständigkeit des Pfarrers fällt. Manchmal sei es auch gewünscht, dass die Bestattung im Ausland stattfinde, dann brauche er einen besonderen Sarg, den er zulöten könne. «Und es kam auch vor, dass wir Särge vom Ausland erhalten haben, die in Nesslau bestattet wurden.»
Alfred Wickli hat jeweils am Ewigkeitssonntag, dem letzten Sonntag vor dem ersten Advent, für jede Person, die in diesem Jahr in Nesslau verstorben ist, im Gottesdienst eine Kerze angezündet. «Das war nicht nur für mich ein besonderer Moment, sondern auch für die Angehörigen, die damit noch einmal ihrer Verstorbenen gedenken konnten».

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