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Wissen, wozu man «Nein» sagt

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Eineinhalb Wochen lang fanden im Zivilschutz-Ausbildungszentrum in Bütschwil Orientierungstage zur Schweizer Armee und zum Zivilschutz statt. Junge Männer - und Frauen - von Wil bis Wildhaus nahmen teil.

Martina Signer

martina.signer@toggenburgmedien.ch

Sie erinnern an «Top Gun»: die Szenen mit den Kampfjets, die am Montagmorgen über den Bildschirm im Zivilschutz-Ausbildungszentrum flimmern. Es folgen Bilder von Panzern, Fallschirmspringern, Scharfschützen. Es ist ein Film über die Schweizer Armee. «Dein Einsatz für eine sichere Zukunft», so endet der Film. Ganz klar, die Bilder implizieren Abenteuer und Heldentum. Und sie faszinieren die jungen Männer, die an den Orientierungstag gekommen sind. Die eine oder andere Funktion wäre sicher spannend und die Wehrpflicht zwingt die jungen Männer sowieso dazu, bald den Rekrutierungstag zu absolvieren.

Zu Beginn des Tages scheint das Desinteresse der Jungs zwar noch zu überwiegen - aber sie müssen halt. Und bestimmt will auch keiner offen zeigen, dass er sich auf die RS vielleicht sogar freut. Und auf das, was er dort lernen kann. Freiwillig ist der Anlass jedoch für Frauen wie Corinne Bischof aus Nesslau, die während des Films in der zweithintersten Reihe sitzt und durch die Gläser ihrer blauen Brille schaut, die an jene von Harry Potter erinnert. Ihre blonden Rastalocken stechen im Meer aus Kurzhaarfrisuren deutlich hervor. Und ihr bunt gemustertes Oberteil tut sein Übriges dazu, dass sie in der Männermasse auffällt. Sie selbst ist eine stille Beobachterin, die sich durch ihr Benehmen nicht in den Vordergrund drängt. Und eindeutig kein Mannsweib, wie es die landläufige Vorstellung einer Frau in der Armee wohl ist. Doch Corinne Bischof ist heute auch nicht hier, um am Ende des Tages die Anmeldung zum Rekrutierungstag auszufüllen. Das äussert sie im Gespräch ganz offen. Sie sagt auch, dass sie die Aktivitäten der «GSoA» (Gruppe für eine Schweiz ohne Armee) im Rahmen ihres politischen Interesses mitverfolgt. Mitglied dieser Gruppe ist die Kantischülerin nicht, wie sie sofort nachschiebt. «Ich engagiere mich einfach stark in der Politik und möchte heute etwas genauer erfahren, wozu ich ‹Nein› sage.» Ein Aspekt würde sie allerdings doch interessieren: ein Einsatz zur Friedensförderung in Kosovo, wie sie von der Schweizer Armee, explizit der Swisscoy, durchgeführt werden.

Frauen überspringen oft den Orientierungstag

Viele Frauen sind es nicht, die in den eineinhalb Wochen die Orientierungstage in Bütschwil besucht haben. Eine Handvoll lediglich. Dennoch steigt die Zahl der Frauen in der Schweizer Armee. «Viele Frauen, die sich für die RS interessieren, kommen gar nicht mehr an den Orientierungstag, da sie sich mit der Materie bereits auseinandergesetzt haben», sagt Walter Eugster, Oberstleutnant und stellvertretender Leiter des Kreiskommandos St. Gallen. «Am häufigsten hören wir von den Frauen, dass sie nach der RS zur Polizei gehen wollen», sind sich Walter Eugster und Erik Orler, Wachmeister und Moderator am Orientierungstag, einig. Diese Frauen besuchen direkt den Rekrutierungstag in Mels, wo sie - genau wie die männlichen Kollegen - einen Fitnesstest zu durchlaufen haben.

Das Interesse der Männer am Zivildienst steigt immer mehr

Einen Tennisball zwischen Schultern und Wand eingeklemmt, sitzt einer der jungen Männer auf einem Stuhl. Vor ihm ein Messband, in der Hand ein Medizinball. Die Versuche beim Medizinballstossen reichen meist «nur» bis um die fünf Meter. «Für ein ‹gut› braucht ihr mindestens sechs Meter zehn», sagt Erik Orler. Keiner erreicht das Ziel. Auch nicht nach mehrmaligen Versuchen. Doch nachdem die Motivation der jungen Männer bis jetzt im Theorieteil etwas gehapert hat, ist nun ihr Ehrgeiz erwacht. Bei jeder der fünf Disziplinen, die an diesem Tag erklärt und am Rekrutierungstag geprüft werden, streben sie nach mehr. Noch mehr Faszination birgt das gepanzerte Mannschaftstransportfahrzeug. Es hält Geschosse von bis zu 12,7 Millimetern ab. Eng ist es da drin. Die Füsse der Truppe dürfen unterwegs nicht auf dem Boden stehen, sondern auf einer Fussstütze. «Falls unter dem Fahrzeug eine Mine explodiert», sagt Mathias Lämmler, Inf Pz Fahr. Er dreht mit sechs jungen Männern und einer jungen Frau eine Runde. Mit glänzenden Augen steigen sie wieder aus - die Männer.

Nach der Pause zeigt Erik Orler einen Film zum Zivildienst. Im Video erzählt ein junger Mann von seinem Zivi-Einsatz im Altersheim. Viele Jungs im Raum verziehen das Gesicht und grinsen. Die Bedeutung scheint klar, Zivildienst kommt für sie nicht in Frage. «Da könnten Sie sich täuschen», sagt Walter Eugster. Viele der Männer würden ihr Interesse am Zivildienst gekonnt verbergen, da man sonst als schwach oder als Drückeberger gelte. Doch die Armee habe damit zu kämpfen, dass verhältnismässig zu viele Wehrpflichtige den Zivildienst absolvierten. Diese fehlten in der Armee, so Eugster. «Umso glücklicher sind wir deshalb, dass immer mehr Frauen die Rekrutenschule besuchen.»


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