STEIN. Geflügel, Katzen, Hunde, Esel - und Alpakas. Sabina Haeses Haus in der Stigen bietet vielen Tieren einen Lebensraum. Die Alpakas aber haben es der Hausherrin am meisten angetan. Mehr als die Hälfte ihres Lebens besitze sie nun solche Tiere, sagt die 54-Jährige. «Als Kind war ich fasziniert von Lamas und dachte, sie wären die idealen Nutztiere, denn man könne sie reiten, melken sowie deren Wolle und Fleisch verarbeiten», erinnert sich Sabina Haese. Diese kindliche Meinung hat sie durch besseres Wissen revidiert. Dennoch: «Meine Alpakas sind Nutztiere. Das bedeutet, dass ich deren Wolle und auch deren Fleisch verarbeite. Das ist für mich eine Frage des Respekts dem Tier gegenüber», sagt sie.
Zwei Alpakas, eine Moto Guzzi
Sabina Haese ist als Wirtetochter aufgewachsen. Die Familie hatte Kleintiere, das grösste sei ein Pony gewesen. Als sie dann ein bisschen Geld gespart hatte, erfüllte sie sich zwei Träume: «Ich kaufte mir zwei Alpakas und eine Moto Guzzi», erzählt sie. Damals habe sie für die Haltung der Alpakas noch eine Wildtierhaltebewilligung gebraucht. Schon bald wurden es mehr Tiere. Vor 16 Jahren ist Sabina Haese nach Peru und Chile gereist und hat dort Tiere von verschiedenen Züchtern gekauft. Mit der vergrösserten Herde und der eigenen fünfköpfigen Familie konnte sie 2005 in das Bauernhaus in Stein ziehen, welches ihrem Vater gehörte. Inzwischen besitzt sie zwischen 50 und 60 Alpakas, jährlich hat sie rund 20 Jungtiere. «So viele kann ich alleine betreuen und ich kenne sie noch alle», sagt sie. Im Winter stehen die Alpakas in mehreren Winterquartieren, den Sommer verbringen die Tiere auf verschiedenen Weiden im Toggenburg. Für die Zucht brauche sie viel «Gspüri», denn Alpakas richten sich nicht nach einem Lehrbüchlein.
Nur in Naturtönen
Die vielen Alpakas geben auch viel Wolle, denn ihr Haar muss einmal im Jahr geschoren werden. «Ich wollte die Wolle nicht weggeben oder wegwerfen», sagt Sabina Haese. Da es damals nicht möglich gewesen sei, einheimische Alpaka-Wolle verwerten zu lassen, hat sie aus der Not heraus selber mit Spinnen angefangen. Da spielte der Zufall mit, als sie auf ein Spinnrad gestossen ist. Innert zwei Stunden liess sie sich das Wichtigste zeigen, den Rest des alten Handwerks Spinnen eignete sie sich autodidaktisch an. «Am Anfang habe ich alle möglichen Materialien versponnen», erinnert sie sich. Mit der Zeit und der Erfahrung hat sich die Fingerfertigkeit verbessert. Der Weg vom Alpaka-Haar zur Wolle ist aufwendig. Nach dem Scheren werden die Haare, die um 10 Zentimeter lang sind, gewaschen und getrocknet. Hierfür sei der Kachelofen bestens geeignet, sagt Sabina Haese. Die Haare lässt sie auswärts kardieren, also kämmen. Sie bekommt diese als Vlies zurück. Daraus zieht sie die Fäden, die auf dem Spinnrad zu Garn gedreht werden. Ein Zwirnen sei nicht nötig, da das Garn genügend stabil sei, sagt Sabina Haese. Sie belässt die Wolle in ihren natürlichen Farben, alles Färben fände sie schade. Und auch unnötig, denn Alpakas weisen mehr als 20 natürliche Farbtöne auf.
Spinnen ist meditativ
«Spinnen ist meine Winterarbeit, denn im Sommer habe ich keine Zeit dafür», sagt Sabina Haese. Sie setzt sich auf die Ofenbank, vor sich die Wolle und das Spinnrad. Beim Spinnen sei sie oft alleine, komme dabei zur Ruhe, sagt sie. Für sie sei es eine meditative Arbeit, die Quelle manch guter Ideen. Manchmal freut sich Sabina Haese aber auf Gesellschaft. Dann besucht sie die Lismi-Gruppe in Stein. Auch beim Ostschweizer Spinn-Treffen im Bächli ist sie jeweils dabei, und einmal im Monat spinnt sie mit Bündner Frauen. Gerne gibt sie ihr Wissen auch in Kursen weiter. Sie hat dabei gemerkt, dass die Motivation der Kursteilnehmer, wie bei ihr, von innen kommen muss. Wer nur anfängt, weil er ein Spinnrad gefunden hat, höre bald einmal wieder auf. Am Donnerstag, 12. Mai, wird Sabina Haese im Rahmen des Treff 12 im Restaurant Ochsen in Stein ihr Handwerk vorstellen.
Freude, keine Arbeit
Die Wolle ihrer Tiere verkauft Sabina Haese auf Märkten und über Internet. Mit Unterstützung von weiteren Frauen strickt sie damit auch Kleidungsstücke. Nur Socken macht sie keine. «Die Wolle der Alpakas ist viel zu fein. Die Socken wären an den Fersen sehr schnell durchgerieben», sagt sie. Wenige Male habe sie Arbeiten auf Bestellung ausgeführt. «Dabei haben mir aber die Spontaneität und das Lustgefühl gefehlt», gibt sie zu. «Die Betreuung der Tiere und die Verarbeitung der Produkte empfinde ich nicht als Arbeit, sondern es macht mir Freude.» Vergrössern will sie ihre Herde und ihr Geschäft mit der Wolle aber nicht. Zu gross ist die Angst, dass ihre Freiheit dabei verlorengehen könnte. Und das will Sabina Haese auf keinen Fall.