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Channel: Ostschweiz - St. Gallen - Toggenburg
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Muster, Muster, Muster

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Zur Toggenburger Tradition gehört es, die Dinge des Alltags, des Festtages, des Handwerks und der bäuerlichen Arbeit mit Mustern zu schmücken. Das Ackerhus widmet dem Thema in seiner neuen Dauerausstellung einen eigenen Raum.

EBNAT-KAPPEL. Muster und Ornamente begleiten den Menschen seit seiner Sesshaftwerdung. Schon die Menschen der sogenannten bandkeramischen Kultur, die sich vor etwa 7000 Jahren bis in die heutige Westschweiz ausbreitete, verzierten ihre Gebrauchsgegenstände mit Ornamenten. Täglich sind die Menschen von Mustern umgeben. Sie können aus sich wiederholenden Motiven oder Varianten in Form und Farbe bestehen. Pflanzen und Tierformen, geometrische Figuren waren schon immer eine Quelle der Gestalter, als Schmuckelement und Erkennungszeichen. Erst die Wiener Avantgarde um Alfons Loos beschwor um 1900 die völlige Ornamentlosigkeit: Kunst und Alltagsgegenstände sollten strickt getrennt werden. In der Mitte des 20. Jahrhundert verschwand das Ornament dann fast vollständig aus dem öffentlichen Raum und geriet durch die Bauhausschlichtheit und die klassische Moderne mehr und mehr in Vergessenheit.

Wirbelblumen, Sonnenräder

Nicht so im Toggenburg. Zur Toggenburger Tradition gehört es, die Dinge des Alltags, des Festtages, des Handwerks und der bäuerlichen Arbeit mit Mustern zu schmücken. Einflüsse des Bauhauses findet man hier auch im 20. Jahrhundert nicht. Die Toggenburger Ornamentik ist leise, heiter und omnipräsent. Das Rind, die stilisierte Blüte oder die Blumenranke zieren die Gegenstände des Alltags und der Festtagstracht - ob auf den silbernen Knöpfen der Brusttücher oder als gedrückte Messingarbeit auf Hosenträgern, Tabaksbeuteln, Hundehalsbändern und Gürteln. Wenn alles blüht und das Vieh gedeiht, geht es den Bauern gut. Die Toggenburger Ornamentik verleiht diesem Wunsch bildlichen Ausdruck. Beispielgebend hierfür sei das rote Brusttuch genannt, die Festtagsweste der Toggenburger Männertracht. Auf dem Revers leuchten Wirbelblumen, Sonnenräder, Spiralen und Lebensbaumzweige. Mit farbiger Seide gestickt stehen sie für den Wechsel der Jahreszeiten, die Bahn der lebenspendenden Sonne und Fruchtbarkeit. Auch auf Silberknöpfen, Hosenträgern, Chüelihemden, Strümpfen, Herzschlüfern und Fuetterschlotten breitet sich die Musterpracht aus: Blütenranken, Herzen und immer wieder die Kühe in Reihen auf der weissen Hemdbrust. Nur die gelbe Sennhose ist sonniger Ruhepunkt im Mustermeer.

Der Mustersammler

Den Gründer des Museums Ackerhus in Ebnat- Kappel, der Künstler und Bergschullehrer Albert Edelmann, interessierte die Toggenburger Ornamentik, und er versuchte seine Fragen in einem wissenschaftlichen Projekt zu beantworten. Zwischen 1944 und 1946 besuchte er etwa dreissig Bergbauernhöfe im Oberen Toggenburg zwischen Wattwil und Wildhaus und katalogisierte die Reversmuster der roten Brusttücher. Er fand heraus, dass die Westenträger die Muster selbst auswählten und sehr genaue Vorstellungen von ihrem ornamentalen Erscheinungsbild hatten. Die Ausführung der Stickereien und diese des Brusttuches übernahmen dann die weiblichen Familienmitglieder als traditionelle Winterarbeit. Ein Teil dieser ethnologischen Studien Edelmanns sind 1972 mit vielen Stickanleitungen von Ida Bleiker als «Musterbuch von Toggenburger Stickereien aus der Sammlung Albert Edelmann» herausgegeben worden.


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