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Wald lässt sich nicht unterkriegen

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Richard Tobler und Urs Kern waren beide über 35 Jahre lang als Revierförster im Toggenburg tätig. Ende Mai werden sie pensioniert. Sie schauen zurück auf Jahrzehnte im Wald, die Freude, aber auch Sorgen bereitet haben.

Herr Tobler und Herr Kern, was waren Ihre Lieblingsaufgaben in ihrer Tätigkeit als Revierförster?

Urs Kern: Bei mir war es sicher der Kontakt mit so vielen unterschiedlichen Menschen. Und das Leiten eines Forstbetriebs gab einem auch gewisse Freiheiten. Ich habe es als bereichernd empfunden, Lehrlinge auszubilden. Und natürlich gefiel mir die Vielseitigkeit, die der Beruf mit sich bringt. Das werde ich vermissen.

Richard Tobler: Da kann ich mich nur anschliessen. Besondere Freude bereitete mir, dass ich mit der Begründung einer neuen Waldgeneration den zukünftigen Wald gestalten konnte.

Der Wald wird immer mehr als Naherholungsgebiet genutzt. Wie vertragen sich Wald und Spaziergänger, Biker, Wanderer?

Tobler: Ich glaube, die Freizeitaktivitäten liegen in einem vernünftigen Rahmen. Gewisse Wildarten reagieren auf die vielen Störungen jedoch sehr empfindlich. Was auffällt, ist der Abfall, der im Wald liegen bleibt.

Kern: Ich habe auch keine grossen Probleme beobachtet. Man ist vielleicht gezwungen, Gefahrenstellen rascher zu beseitigen, wenn sich viele Leute im Wald aufhalten. Und es ist auch wichtig, den Leuten begreifbar zu machen, dass hinter jedem Wald ein Besitzer steckt. So gesehen ist der Wald kein Allgemeingut, wie viele meinen.

Sie haben das Wild angesprochen. Wie sieht es mit Wildschäden aus?

Kern: Es gibt immer Schwankungen. Über die Jahre gesehen kann man aber sicher sagen, dass die Wildschäden zurückgegangen sind. Das Wild findet in den heutigen, vielseitigen Wäldern genügend Nahrung, damit es sich nicht an jungen Bäumen vergreifen muss. Der Lebensraum für das Wild hat sich im Wald verbessert.

Man sagt, dass die Klimaerwärmung der Fichte schadet. Wie ist die Situation mit diesem Haupt-Nadelbaum im Toggenburg?

Kern: Bei uns ist diese Problematik noch nicht so stark zu beobachten. Hitzeperioden verträgt die Fichte tatsächlich nicht sehr gut. Sie wird dann anfälliger für Schädlinge wie den Borkenkäfer. Man kann aber als Förster etwas entgegenwirken, indem man andere Holzsorten fördert.

Tobler: Schlimmer sieht es nach wie vor bei den Eschen aus. Da habe ich mehr Bedenken, dass sie aussterben könnten.

Wie schlimm ist die Situation bei den Eschen explizit? Oder auch bei den Ulmen, die ja ebenfalls mit Pilzbefall zu kämpfen haben?

Tobler: Es sieht derzeit gar nicht gut aus. Vor allem die jungen Eschen machen mir Sorgen. Das ist eine wichtige Baumart, die auch Nässe verträgt.

Kern: Und sie ist auch ein wirtschaftlich interessanter Baum. Sie wächst schnell.

Tobler: Von den jungen, bis 20jährigen Eschen sind mit Sicherheit bis zu zwei Drittel von der Eschenwelke betroffen. Und die Ulme ist wegen Pilzbefalls bereits zu einer seltenen Baumart geworden. Dieser Pilz wurde durch Holzimporte aus Amerika eingeschleppt.

Sie haben bestimmt auch das Waldsterben Anfang der 80er-Jahre miterlebt. Wie hat sich das auf das Toggenburg ausgewirkt?

Tobler: Waldsterben war in unserem Land wahrscheinlich ein zu krasses Wort. Allerdings hatte der damals noch extrem hohe CO2-Ausstoss der Autos einen sehr schlechten Einfluss auf den Wald. Dieser war teilweise tatsächlich krank. Dennoch war es gut, dass man durch den starken Ausdruck <Waldsterben> viele Leute erreicht hat. Wäre dies nicht geschehen, stünde es heute in unseren Wäldern wahrscheinlich nicht zum Besten. So hat man entsprechend reagiert. Und dies rechtzeitig.

Hat sich der Wald nach den Orkanen Vivian (1990) und Lothar (1999) wieder erholt?

Kern: Vivian hat eher den oberen Teil des Toggenburgs getroffen. Beim Lothar war es im unteren Teil des Toggenburgs schlimmer.

Tobler: Ganz stark betroffen waren Alt St. Johann und Wildhaus. Dort hat der Orkan Vivian soviel Holz gebodigt, wie man sonst in 15 Jahren schlägt. Es waren rund 40 000 Kubikmeter in Wildhaus. In Alt St. Johann sogar noch etwas mehr.

Was waren die Folgen?

Tobler: Es dauerte drei Jahre, bis alles Holz aufgerüstet und abtransportiert war. Anschliessend führte die starke Vermehrung der Borkenkäfer zu einem über mehrere Jahre anhaltenden Anstieg der Zwangsnutzungen von Käferbäumen.

Hat sich der Wald wieder erholt?

Kern: Damals ist man sehr erschrocken und man sprach fast schon von einer Katastrophe. Jetzt im Nachhinein muss man sagen, dass die Befürchtungen zu gross waren. Der Wald hat sich wieder sehr schön verjüngt.

Tobler: Er ist sogar viel artenreicher nachgewachsen, als er zuvor war.

Kern: Stimmt. Durch das viele Licht, das nach dem Sturm im Wald eingefallen ist, wurde der junge Wald vielfältiger. Das Wild hatte damit ein grosses Nahrungsangebot nebst den jungen Bäumen. Es liess diese nachwachsenden Hölzer so lange in Ruhe, bis sie gross genug gewachsen waren.

Ist der Borkenkäfer nach wie vor ein Problem im Toggenburg?

Tobler: Nun, der erneute Wintereinbruch im Frühjahr mit Kälte und Schnee hat der Fortpflanzung des Borkenkäfers bestimmt entgegengewirkt. Das Wetter spielt eine grosse Rolle dabei, wie schlimm der Borkenkäfer wütet.

Aber dem Wald schadet solches Wetter nicht?

Kern: Weniger. Wenn die bereits entstandenen Blätter erfrieren und absterben, braucht der Baum einfach mehr Energie, damit diese wieder nachwachsen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Toggenburger Waldes?

Tobler: Es wäre wünschenswert, wenn es sich finanziell wieder mehr lohnen würde, den Wald zu bewirtschaften. Der Holzpreis ist derzeit einfach zu tief.

Kern: Schön wäre auch, wenn der Wald einen noch höheren Stellenwert in der Gesellschaft einnehmen könnte. Aber der Wald an sich lässt sich nicht so leicht unterkriegen, soviel ist sicher.


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