LICHTENSTEIG. Das neue Raumplanungsgesetz hat seine Auswirkungen aufs Toggenburg und ganz besonders auf Lichtensteig: Das Städtchen wird bis zu 40 000 Quadratmeter Bauland auszonen müssen. Gleichzeitig möchte die Gemeinde die Abwanderung der letzten Jahre stoppen und wieder wachsen. Eine Herausforderung an die Innenentwicklung.
Der Gemeinderat entschloss sich dazu, die Bevölkerung Lichtensteigs früh mit einzubeziehen. Am Mittwoch nun lud die Gemeinde ein, um die ersten Ergebnisse und das weitere Vorgehen zu präsentieren.
Wichtiger als die Präsentationen war Stadtpräsident Mathias Müller aber die aktive Teilnahme der Anwesenden, denn schlussendlich würden sie mit dem langwierigen Prozess der Innenentwicklung leben müssen, und das möglichst gut. Damit nahm Müller in seiner Eröffnungsansprache ein Kernthema der folgenden Vorträge und der Podiumsdiskussion vorweg: «Es geht nicht um Gebäude, sondern um Menschen.»
Der Bevölkerung zuhören
Armin Meier vom Raumplanungsbüro Strittmatter und Partner stellte die Ergebnisse der letzten Bürgerbefragung vor und betonte: Man könne leicht ganz viele Zahlen sammeln, aber dahinter stünden immer Menschen. Wenn die Umfrage zum Beispiel zeigte, dass mehr als die Hälfte der Befragten alternative Wohnformen fördern möchte, aber selbst nicht aufs eigene Einfamilienhaus verzichten will, müsse das kein Widerspruch sein. Man müsse vielmehr der Bevölkerung zuhören, um Wünsche und Ängste zu verstehen. Ähnlich sah es auch Kantonsplaner Ueli Strauss. Bei der Innenentwicklung ginge es nicht darum, aus Einfamilienhaus-Siedlungen vierstöckige Wohnbunker zu machen. Damit wäre niemandem gedient. Der Gastredner Angelus Eisinger, Direktor der Regionalplanung Zürich und Umgebung, schlug in dieselbe Kerbe. Es reiche nicht, theoretische Idealvorstellungen von oben herab auf Gemeinden abzubilden. Ökonomie, Vorstellung, aber vor allem der Alltag der Bevölkerung spielten zusammen. Es habe sich gezeigt, dass der übliche Ablauf - Gemeinde beauftragt Experten, diese entwickeln Konzept, Gemeinde setzt es um - unsinnig sei. Die Bevölkerung müsse möglichst früh im «Langzeitmarathon Innenentwicklung» eingebunden werden. Lichtensteig sei hier vorbildlich.
Ein Gemeinschaftsprojekt
Nach Präsentationen und Podiumsgespräch diskutierten die Besucher Chancen und Gefahren der Innenentwicklung Lichtensteigs und sammelten Vorschläge, wie sich die Bevölkerung ganz direkt einbringen könnte. Alle Gruppen waren sich einig: Die grösste Gefahr, dass das «Projekt Lichtensteig» scheitern könnte, läge bei den Arbeitsplätzen. Denn wanderten die ab, würde entweder das Städtchen zu einem «Schlafdorf» verkommen oder mit sinkender Einwohnerzahl den bestehenden Standard finanziell nicht halten können.
Die Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger konzentrierten sich auf Ideen, wie das Gewerbe gesund wachsen und die bestehende Gebäude-Infrastruktur besser ausgenutzt werden könnte. Zuvorderst stand aber der Regional-Gedanke: Das Angebot nutzen, im Städtchen zum Coiffeur gehen und die Restaurants besuchen, statt alles in den Ballungszentren zu beziehen. Sonst schneide man sich ins eigene Fleisch. Viele Vorschläge waren auch konkreter. Da eine grosse Zahl der Einfamilienhäuser nur von ein oder zwei Personen bewohnt wird - weshalb dann nicht zum Beispiel das Angebot an Studentenwohnungen zur Untermiete fördern? Vielleicht günstige Ateliers oder Co-Working-Spaces in leerstehenden Wohnungen einrichten? Ungenutztes Potenzial sollte genutzt werden, die Bürger zu Akteuren werden. Das bedingt eine Offenheit und viel Toleranz in der Bevölkerung, aber wie Müller zum Abschluss des Abends sagte: das sei in Lichtensteig noch nie ein Problem gewesen.