WATTWIL. Es ist Montagmorgen und Heinz Brecht nimmt an diesem Tag bereits den zweiten Anruf betreffend Tierschutz entgegen. Etwas später wird er in die Post Wattwil gerufen, wo ein entlaufener Hund liegt. Dank dem Chipgerät ist der Tierhalter bald gefunden und dieser Tierschutzfall gelöst. Bis 20 Mal pro Woche wird er kontaktiert; fünfmal pro Woche geht er im Schnitt dorthin, wo eine Verletzung des Tierschutzes vermutet wird. Und dies seit 43 Jahren. Ehrenamtlich. 1972 war er in den Vorstand des Tierschutzvereins Toggenburg gewählt worden und daraus ergab sich die Aufgabe als Tierschutzbeauftragter des ganzen Toggenburgs; von Wildhaus bis Flawil. Während der letzten Jahre war er in dieser Aufgabe noch für die Gemeinden Lichtensteig, Wattwil und Ebnat-Kappel zuständig.
Katastrophale Zustände
Heinz Brecht zeigt auf dem Bildschirm unzählige Bilder von Tieren. Es gibt entlaufene und gefundene Tiere, hübsche Katzen und niedliche Welpen, tote Kaninchen, die nach dem Umzug der Besitzer in ihrem Stall zurückgelassen worden sind, misshandelte Hunde, lebende Hühner in der Kadaversammelstelle. Es sind teilweise unschöne Bilder. «Mit der Zeit habe ich gelernt, mit solchen Anblicken umzugehen, Distanz dazu zu gewinnen, aber sie können mich auch wieder einholen», macht Brecht bewusst. Er zeigt weitere Bilder, die auf die Menschen hindeuten, die Tiere, und teilweise auch ihre Kinder, in katastrophal verdreckten und chaotischen Wohnungen leben lassen. «Ich habe auch schon die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde einschalten müssen», verrät er. Was zu sehen ist erschreckt, macht betroffen. Wie ist das möglich? «In vielen Fällen haben die Menschen schlicht keine Ahnung von der Tierhaltung. Dabei kann unter www.meinheimtier.ch, ein Portal vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV, für jede Tierart eine Broschüre bezogen oder heruntergeladen werden», empfiehlt Heinz Brecht. Die Realität zeige hingegen, dass sich die Leute viel zu schnell zu einem Kauf hinreissen liessen, ohne sich zu informieren, und dann seien sie teilweise überfordert. Kindern solle man überhaupt keine Tiere schenken; höchstens eine Katze.
Im Privatbereich hapert's
«Ich sehe mich in erster Linie als Berater», umschreibt Heinz Brecht seinen Auftrag. So spricht er bei Tierhaltern, die er nach einem Hinweis oder einer Klage besucht, zuerst sachlich die Tierhaltung an. Ist das Tier gechipt, der Hund bei der Gemeinde angemeldet, hat er eine Hundeschule besucht, ist für die Katze ein Katzenbaum und ein sauberes Katzenklo vorhanden, haben die Kaninchen genügend grosse Ställe und die Schafe draussen auf der Weide einen trockenen Unterstand, sind die Tiere gesund, wird richtig gefüttert und werden die Tiere artgerecht gehalten? Alles Fragen, die ihn interessieren. Liegen Unterlassungen vor, vereinbart er mit den Besitzern schriftlich, was zu verändern ist, kontrolliert später und es ist erledigt, wenn es funktioniert. «Wenn nicht, wird die Gemeinde informiert, die ihrerseits den Beklagten verwarnt, Auflagen macht oder verzeigt. Ändert sich immer noch nichts, wird das Veterinäramt eingeschaltet, und in manchen Fällen kommt die Polizei mit», zeigt er den Ernst der Sache auf. «Es werden auch Tiere eingezogen. Teilweise ganze Würfe, vor allem, wenn sie illegal aus dem Ausland eingeführt wurden.» Der Tierschutz ist in den letzten Jahren immer schärfer geworden und Heinz Brecht hat erfahren, dass sich dadurch vor allem die Tierhaltung in der Landwirtschaft verbessert hat. «Tiere bedeuten Einkommen für die Bauern und sie behandeln sie entsprechend gut», freut er sich. Bei landwirtschaftlichen Betrieben falle ein Fehlverhalten zudem eher auf als bei Privaten in einer Wohnung. Bei Privaten gehe es jedoch nicht selten um das Nachbarrecht oder um Streit, und hier konnten oft einvernehmliche Lösungen gefunden werden.
Ein Leben für das Tier
Heinz Brecht hat sein bisheriges Leben in hohem Masse dem Tier gewidmet. Seit seinem 13. Altersjahr besass er immer und bis vor sechs Jahren einen Hund. Der Border Collie Scott war sein letzter.
Die Liste seiner Funktionen im Hundesport ist lang. Unter anderem war er zehn Jahre Einsatzleiter bei Redog Ostschweiz, dem Verein für Such- und Rettungshunde, acht Jahre Chef Ausbildung Redog Schweiz, zwölf Jahre Chef Ausbildung als Militärhunde-Ausbildner. Er war im Einsatz in Italien, Rumänien, Armenien, Montenegro, Frankreich oder in der Schweiz. Nach seiner Frühpensionierung als Versicherungsfachmann führte er bis vor fünf Jahren seine Hundeschule in Wattwil. Er hielt Vorträge, leitete Kurse, war technischer Leiter von Jugendlagern, schrieb Artikel, gab Interviews fürs Fernsehen und Radio. Seit sechs Jahren schreibt er für die Rubrik «Tiere» im Toggenburger Tagblatt, welche Tiere vermisst, gefunden oder abzugeben sind. Er arbeitet mit dem Tierheim Nesslau zusammen und mit dem Tierschutz-Verein Toggenburg. Das Tier ist seine Leidenschaft. Mit Ausnahmen. «Spinnen und Schlangen mag ich nicht.» Heinz Brecht freut sich hingegen, vielen Tierhaltern und Tieren geholfen zu haben und ist glücklich, wenn alle Menschen, mit und ohne Tiere, friedlich zusammenzuleben. «Das war immer mein Ziel, dann hat sich mein Einsatz gelohnt.»