Herr Diener, warum passierten diese zwei tödlichen Unfällen am Lütispitz?
Peter Diener: Wir müssen unterscheiden. Am Lütispitz hat es nur einen Unfall gegeben, am Montag vor einer Woche. Dieses Unglück passierte im weglosen Gelände. Am Lütispitz war in den letzten 15 Jahren kein weiterer tödlicher Unfall zu verzeichnen. Der zweite tödliche Unfall in der Gegend ereignete sich beim Klettern, an der Schattenwand, in der Schafwis oberhalb der Alp Mutteli, also nicht am Lütispitz. Dabei war ein Steinschlag die Ursache. Die beiden Unfälle können nicht verglichen werden und es besteht kein Zusammenhang.
Wie gefährlich ist das Wandern auf den Lütispitz?
Diener: Am Lütispitz ist das Wandern nicht gefährlicher als an anderen Bergen mit ähnlichen Wegen.
Müssen vermehrt Sicherheitsvorschriften nach diesen Unfällen getroffen werden?
Diener: Nein, aus meiner Sicht reicht es, wenn sich jedermann den etwas schwierigeren Bedingungen bewusst ist und danach handelt. Beim Bergwandern, Bergsteigen, Hochtourengehen, Klettern gibt es im herkömmlichen Sinn keine Sicherheitsvorschriften und soll es auch keine geben. Jeder soll noch in eigener Verantwortung handeln dürfen, natürlich mit den entsprechenden Vorsichtsmassnahmen. Im Allgemeinen sind zurzeit die Wege eher nass und dadurch rutschig. Abseits der Wanderwege ist es durch die Nässe heikel. Die Schneefelder sind hart, teilweise sehr hart und schwierig zu begehen. Sehr gutes Schuhwerk also feste Bergschuhe, Pickel und Steigeisen gehören im Moment zur Ausrüstung. Schneefelder gibt es momentan noch viele. Gute Vorbereitung, Informationen einholen über die Wegbeschaffenheit und Planung gehören dazu. Zum richtigen Zeitpunkt umkehren ist ebenso wichtig.
Bei welchen Stellen ist am Lütispitz besondere Vorsicht geboten?
Diener: Ich schätze den Lütispitz grundsätzlich nicht gefährlicher ein als andere Berge. Ein tödlicher Absturz und dieser auch noch abseits des Wanderweges, ist so gesehen noch lange keine Summierung von gefährlichen Ereignissen. Es kann verallgemeinert werden: Nässe, grasige Steilflanken, Schneefelder oder schmutzige Felsplatten verlangen vom Wandernden nun einmal erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht.
Auf was muss speziell geachtet werden, wenn man auf den Lütispitz wandern will?
Diener: Eine gute Vorbereitung, aber das gilt auch für alle anderen Touren in den Bergen: Entspricht das gewählte Ziel der eigenen Fitness und mentalen Verfassung? Wer kommt mit? Wo sind die schwierigeren Stellen? Wie wird das Wetter? Welche Verhältnisse kann ich antreffen? Wie viel Zeit brauche ich? Die Ausrüstung ist nach den Verhältnissen anzupassen. Im Zweifel, bei Überraschungen oder erhöhten Schwierigkeiten soll man umkehren.
Wie oft kommt es zu Bergrettungen im Toggenburg?
Diener: Wir leisten 15 bis 20 Einsätze in unserem Stationsgebiet. Dieses geht vom Säntis bis ins Zürcher Oberland, vom Linthkanal bis ins Neckertal, umfasst das Speergebiet, die Churfirsten und den Alpstein auf der Toggenburger Seite. Hilfe leisten wir an verunfallten oder blockierten Personen, welche Gleitschirm fliegen, mountainbiken, skitouren gehen, Variantenabfahrten unternehmen, bergwandern, klettern, Pilze suchen oder Leute während der Arbeit. Zu etwa zwei Drittel der Einsätze werden wir von der SAC-Bergrettung zur Unterstützung der Rega aufgeboten und fliegen mit dem Rega-Helikopter mit.
Welche Wanderstellen sind im Toggenburg besonders gefährlich?
Diener: Auf diese Frage kann ich so keine Antwort geben. Es gibt Stellen, die sind schmal, steil und ausgesetzt und es passierte bis jetzt noch kein Unfall. Ein paar Meter weiter auf einem eher harmlos erscheinenden Wegstück braucht es vielleicht nur eine kleine Unaufmerksamkeit, ein Stolpern und schon verliert man den Halt. Oft ist Glück im Spiel oder der Schutzengel hat aufgepasst. Über gut und böse entscheiden manchmal nur Sekundenbruchteile. Der Risikofaktor Nummer eins ist der Mensch selber. Beachtet man, wie viele Leute sich während vieler Stunden in den Bergen aufhalten, dabei glücklich sind und sich erholen, dann nehmen die Unfallereignisse nur wenige Promille in Anspruch.