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Berühren nicht verboten

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«Nacht und Tag im Taubenschlag» ist der Titel der soeben angelaufenen Ausstellung von Kinderbüchern aus den Siebzigerjahren bei «Ereignisse Propstei St. Peterzell». Für einmal ist das Berühren der Exponate nicht verboten.

ST. PETERZELL. Ja, Kinderbücher. Auch Kinderbücher können aus dem Blickwinkel der Kunst betrachtet werden. Davon überzeugt ist Luca Beeler, der zusammen mit Cédric Eisenring und Carmen Tobler Kinderbücher sammelt. Für die Ausstellung im Dachgeschoss der St. Peterzeller Propstei haben die drei rund 250 Kinderbücher aus aller Welt zusammengetragen. Würden sie den Erscheinungszeitraum nicht auf die Siebzigerjahre beschränken, wären es wohl einige mehr. Gemäss ihrer Aussage markierten die Siebziger einen Höhepunkt in Bezug auf Fülle sowie bildnerische und mediale Experimentierfreudigkeit bei Kinderbüchern. Womit auch gesagt ist: Bei der Sammlung Beeler, Eisenring und Tobler handelt es sich um Bücher mit Fokus auf bildhafte Narrative, also Bilderbücher für Kinder im Vor- und Grundschulalter. Die 250 gebrauchten, teilweise vergriffenen oder nur noch in Antiquariaten erhältlichen Bücher sind in sechs Themenbereiche geordnet. Sie sind keineswegs nur aus der Distanz betrachtbar. Im Gegenteil, es ist erwünscht, in diesem Fundus zu stöbern, «Hand anzulegen», zu blättern, zu begreifen und zu träumen.

Nacht und Tag im Taubenschlag

Angela Kuratli, zum dritten Mal Kuratorin einer Ausstellung bei Ereignisse Propstei, schreibt in der Einleitung zu «Nacht und Tag im Taubenschlag»: «Kinderbücher sind Narrative, die von Eltern ins Kinderzimmer gebracht werden. In dieser intimen Umgebung und begleitet durch die Stimme der Lieben, werden sie vermittelt und überschreiten dennoch die geschützte Sphäre des Privaten in Richtung sozialen Raumes.» Erwartungen und Hoffnungen - auf Eltern- wie auf Kinderseite - gingen mit Kinderbüchern einher: «Mit der romantischen Vorstellung des Ursprünglichen und kindlich Naiven, mit aufklärerischer Erziehung oder mit der Entdeckung des Kindes als utopische Masse.» So viele Gedanken werden sich die Eltern der Siebziger-Kinder wohl nicht gemacht haben. Die durchwegs erwachsenen Besuchenden an der Vernissage vom vergangenen Freitagabend wohl auch nicht.

Ist es Kunst?

Doch eine Frage bleibt: Ist es Kunst? «Das Kinderbuch verbindet in sich die verschiedenste Disziplinen von Kunst, angewandter Grafik und Literatur bis zur Pädagogik», sagte Luca Beeler. Die ausgestellten Bücher aus seiner Sammlung - die im Übrigen bereits in Basel und demnächst auch an anderen Orten gezeigt wurden und werden - hätten ihre erzieherische, manchmal auch rein unterhalterische Aufgabe längt abgelegt und könnten nun auch als Kunstwerke entdeckt werden. In der Tat unterscheiden sich die Illustrationen der in einer kurzen Epoche - zwanzig Jahre - erschienenen Bilderbücher stark voneinander. Die Bandbreite des zeichnerischen Ausdrucks, bedingt auch durch die internationale Herkunft - unter anderem Europa, Japan, Russland oder die USA - der Werke, nahm vor vierzig Jahren die Vielfältigkeit heutiger Graphic Novels für Erwachsene schlicht vorweg.

Die Ausstellung läuft noch bis 18. September; mittwochs und freitags geöffnet von 14 bis 17 Uhr, samstags und sonntags von 10 bis 17 Uhr; zahlreiche Begleitveranstaltungen: z. B. Zeichenfabrik mit Anita Zimmermann am 14. August ab 10 Uhr; Ereignisse Propstei, im Dachgeschoss der Propstei St. Peterzell.

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