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Künstler macht alle zu Künstlern

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Steve Gähwiler führte einst ein eigenes Malergeschäft - bis ihm ein Unfall die Arbeit auf der Baustelle verunmöglichte. Seither stützt er sich auf sein zweites Standbein, die Kunst. Die Leidenschaft dafür möchte er auch anderen vermitteln.

GÄHWIL/WIL. Es leuchtet in kräftigen Gelb- und Rottönen, das dreiteilige Gemälde, das die Fassade der Tagesstätte der Heimstätten Wil schmückt. Dabei handelt es sich nicht um das Werk eines einzelnen Künstlers. Vielmehr hat sich eine ganze Gruppe darin verewigt: Eine Gruppe aus Besucherinnen und Besuchern der Tagesstätte, die unter Anleitung des Künstlers Steve Gähwiler eine Woche lang gemalt hat.

Kunst verbindet

Das anfängliche Unbehagen, das viele beschleiche, wenn sie vor einer weissen Leinwand stünden, sei einer «irrsinnigen Stimmung» gewichen, sagt Steve Gähwiler. «Die Teilnehmer arbeiteten mit höchster Konzentration und wollten den Pinsel trotz Müdigkeit gar nicht mehr aus der Hand legen.» Steve Gähwiler ist überzeugt, dass Kunst nicht nur eine ästhetische Komponente hat, sondern auch eine soziale. Neben Malkursen bietet er auch sogenannte Teambildungsanlässe an. Dazu treffen sich beispielsweise Mitarbeitende einer Unternehmung, um gemeinsam Bilder zu malen. Steve Gähwiler stellt die Techniken vor, lässt den Teilnehmenden danach aber freie Hand. Schon manche Gruppe hat am Ende des Tages einen stolzen Blick auf das Gemeinschaftswerk geworfen und dieses dann am Arbeitsplatz aufgehängt. Das Endprodukt sei aber nicht nur ein Bild, sondern auch ein besseres Zusammengehörigkeitsgefühl, so Gähwiler.

Planeten als ständiges Motiv

Neben seiner Tätigkeit als Erwachsenenbildner ist Steve Gähwiler freischaffender Künstler. In seinem Atelier in Gähwil widmet er sich der abstrakten Kunst. Die Vielfalt an Materialien, die er dazu verwendet, ist gross. Neben Acrylfarbe und Kreide benutzt er auch Bitumen (Teer) oder zaubert Stellen von Rost auf die Leinwände. Als ständig wiederkehrendes Motiv tauchen Planeten und Menschen in seinen Werken auf. Ein Sinnbild für das kurze Dasein eines jeden in einem riesigen Universum. Jedes Bild versieht der 54-Jährige mit drei «Balance-Männchen». Diese seien sein Erkennungsmerkmal, sagt Steve Gähwiler. Jeder Mensch suche im Leben nach Balance. Die Männchen hat er sich auch als Tattoo auf den Arm stechen lassen.

Für seine Kunstwerke findet der Vater einer erwachsenen Tochter vor allem private Käufer. Ausstellungen organisiert er selbst - ob im Ausland oder in seinem Atelier in Gähwil.

22 Kunstseminare in drei Jahren

Ursprünglich machte Steve Gähwiler eine Ausbildung zum Maler und eröffnete vor 30 Jahren ein eigenes Geschäft. Kunst war für ihn stets ein Hobby. Ein Unfall brachte die Wende. Durch einen Sturz vom Gerüst, der mehrere Operationen zur Folge hatte, wurde es ihm unmöglich, der Tätigkeit als Maler weiterhin nachzugehen. So beschloss er, sein Hobby zum Beruf zu machen. In den vergangenen drei Jahren besuchte er 22 Kunstseminare und machte eine Ausbildung zum Erwachsenenbildner. Zudem absolvierte er ein Praktikum im Living-Museum der psychiatrischen Klinik Wil, wodurch auch der Kontakt mit der Museumsleiterin Rose Ehemann und den Heimstätten zustande gekommen ist - und letztlich das Kunstwerk an der Fassade der Tagesstätte. Interpretiert werde dieses Bild von jedem etwas anders, was auch richtig sei, sagt Steve Gähwiler. «Jemand erkannte darin zum Beispiel eine Wüstenlandschaft mit Dromedar.» Über die persönliche Interpretation hinaus wird es wohl alle an ein schönes, gemeinsames Erlebnis erinnern.


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