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Raser auf Koks narrt die Polizei

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Ein im Thurgau lebender Mann hat eine bedingte zweijährige Gefängnisstrafe erhalten. Er war unter Alkohol- und Drogeneinfluss Auto gefahren und vor der Polizei geflohen.

TOGGENBURG. Eine Kantonspolizistin will gegen vier Uhr morgens in Lütisburg ein Auto kontrollieren. Man schreibt Mai 2015, doch die Sache endet nicht wonnig. Statt anzuhalten, biegt der Lenker in eine Seitenstrasse ab. Die Polizei verfolgt das Auto und sieht es hinter einem Gebäude stehen. Der Lenker gibt erneut Gas - sehr viel Gas - und setzt die Flucht über die Letzistrasse nach Ganterschwil fort, verfolgt von der Polizei mit Blaulicht und Sirene und der Aufforderung, anzuhalten. Ausserorts fährt das Auto 150 und beim Ortsschild Ganterschwil 130 Kilometer pro Stunde. Weiter geht es in Richtung Oberhelfenschwil, wobei das Auto mehrmals in Kurven auf die Gegenfahrbahn gerät. Der Lenker setzt einen drauf, schaltet das Licht aus, verfehlt prompt eine Kurve, landet in einer Wiese und beschädigt den Zaun sowie das Auto. Darauf begibt er sich zu Kollegen in Oberhelfenschwil. Dort treffen ihn die Polizisten später an. Atemlufttest sowie Blut- und Urinprobe bringen es an den Tag: Der Lenker hat nur 0,42 Promille Alkohol im Blut. Er hat aber Haschisch und Kokain konsumiert.

Wegen dieser Raserfahrt und wegen weiterer Delikte muss sich am Dienstag ein Schweizer, ein im Hinterthurgau lebender Karosseriespengler und -lackierer, vor dem Kreisgericht verantworten. Er hat Jahrgang 1986 und ist in seinem Beruf tätig. Von seinen früheren Freunden habe er sich distanziert. Er bereue zutiefst, was vorgefallen sei, sagt er. Vor Gericht wirkt der Angeklagte wie ein braver Bürger, dem man die Straftaten nicht zutrauen würde.

Herstellung von Crack misslang
Am schwersten wiegen die Drogendelikte. Das sagt die Staatsanwältin. Der Angeklagte konsumiert nicht nur vom Dezember 2014 bis Mai 2015 täglich Kokain. Er besitzt in dieser Zeit auch 140 Gramm Kokaingemisch, umgerechnet 21 Gramm reines Kokain. Einen Teil braucht er selber, den Rest verkauft er. Dazu kommen der Besitz und die Weitergabe von Ecstasy sowie anderer, rezeptpflichtiger oder hier nicht zugelassener Medikamente. Versuche, Crack herzustellen, scheitern. Apparaturen dafür findet die Polizei bei einer Hausdurchsuchung beim Angeklagten.

Zweimal hat sich dieser zudem des pflichtwidrigen Verhaltens bei einem Unfall schuldig gemacht. Als er 2015 in Wil aus einem Parkhaus herausfahren will, hebt sich die Schranke nicht. Also setzt er mit dem Auto zurück, nimmt Anlauf und durchbricht die Schranke. In der Stadt St. Gallen beschädigt er einen Parkschutzbügel und die Ölwanne seines Autos, als er über einen Privatparkplatz fährt. Er fährt in beiden Fällen weg, ohne sich um den Schaden zu kümmern. Dadurch habe der Angeklagte einen Alkohol- und eventuell einen Drogentest verhindert, heisst es in der Anklageschrift. Schliesslich besitzt der Mann illegal diverse Waffen.

Angeklagter anerkennt Tatbestände
Der Prozess findet im abgekürzten Verfahren statt. Das heisst, der Angeklagte anerkennt die Vorwürfe des Staatsanwalts. Verteidiger und Staatsanwalt handeln einen Urteilsvorschlag aus. Zwar ist das Gericht nicht an die Abmachung gebunden. In diesem Fall übernimmt es sie.

Bei den Drogendelikten sei die Strafe am unteren, bei den Verkehrsdelikten an der oberen Grenze, sagt die Staatsanwältin. Die Grenze zum Raserdelikt habe der Angeklagte massiv überschritten. Er habe um jeden Preis der Polizei entkommen wollen. Der Verteidiger spricht von einer angemessenen, aber empfindlichen Strafe. Sein Mandant habe realisiert, was ihm blühe, wenn er weiter delinquiere, und wolle die Chance nutzen, die die Familie ihm biete, sagt der Verteidiger.

Bedingte Strafe mit drei Jahren Probezeit
Der Angeklagte ist schuldig der qualifizierten groben Verletzung von Verkehrsregeln, des Fahrens in nicht fahrfähigem Zustand, der versuchten Vereitelung und der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit sowie des mehrfachen pflichtwidrigen Verhaltens bei einem Unfall. Dazu kommen Übertretungen, Vergehen und Verbrechen gegen das Betäubungsmittel- und Zuwiderhandlung gegen das Waffengesetz.

Dafür erhält der Angeklagte eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit einer Probezeit von drei Jahren. 129 Tage Untersuchungshaft werden angerechnet. Zugleich verhängt das Gericht eine Busse von 2000 Franken, die bezahlt werden muss. Ferner fordert der Kanton 5000 Franken Entschädigung. Verfahrenskosten von gut 17 000 Franken und das Honorar von über 13 000 Franken für den amtlichen Verteidiger kommen dazu. Diesen muss der Angeklagte bezahlen, wenn er genug Geld hat.

Der Richter warnt den Angeklagten
Der Angeklagte sei nur haarscharf um eine teilbedingte Freiheitsstrafe herumgekommen. «Gefängnis wäre mit diesem Deliktkatalog möglich. Es wird nicht nochmals so günstig ausgehen für Sie. In den nächsten drei Jahren müssen Sie sich wohl verhalten», sagt der vorsitzende Richter, lässt aber durchblicken, dass es ohne den Deal schwierig wäre, alle Tatbestände zu beweisen. Er habe den Eindruck, der Angeklagte habe sich als Schauspieler in einem Netflix-Film gefühlt. In der realen Welt hätten Delikte Konsequenzen, sagt der Richter. Nach dem Prozess verabschiedet sich die Staatsanwältin mit Handschlag vom Angeklagten.

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