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Die Lage ist fatal - Geld muss her

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Dies hier ist eine Geschichte. Sie könnte wahr sein oder nicht, jedenfalls hat sie ein glückliches Ende. Doch von Anfang an: Das Heimetchörli Hemberg hat Geldsorgen. Kassier Patrick Brunner traut seinen Augen nicht, als er sein Vereinskässeli öffnet. Gähnende Leere starrt ihm entgegen, nur gerade noch 75.35 Franken liegen drin. So sehr er gräbt und grübelt in der blechernen Box, in seinen Hosentaschen und der Schublade des Vereinskassiertischchens - es kommt nicht mehr Geld zum Vorschein. Unter Tränen ruft der Jungkassier, seit drei Jahren erst im Amt, beim Präsidenten Melch Schweizer an, berichtet von der überaus misslichen, ja desaströsen Lage. Dem Verein geht es schlecht, nein miserabel, man muss etwas tun, stellt Melch fest, und bringt das Problem an der nächsten Hauptversammlung auf die Traktandenliste.

Es muss Geld her, so dann der einstimmige Vereinsbeschluss. Aber wie? Wie auch immer. Man wirft sich in Schale und geht da hin, wo das Geld auf dem Teppich liegt - ins Casino. Richtig gezockt bringt Riesengewinne, sofern man weiss, wann’s Zeit ist aufzuhören. Doch den Jodlerinnen und Jodlern vom Land ist das Glück in der Stadt nicht hold. Nächste Idee, man macht Strassenmusik: «S’Heimatchörli sött jetz Geld ha, goot go schaffe, was es cha», auch das bringt keinen substanziellen Ertrag.

Man versucht’s mit Spendenaufrufen, doch: «Kein Schwein ruft mich an, keine Sau interessiert sich für mich.» Deprimiert singt man an der nächsten Probe: «Die alten Freunde sind nicht mehr.» Es herrscht allgemeine Verunsicherung: «Die Lage ist fatal, da hilft nur mehr eins: ein Banküberfall!»

Mit grimmigen Gesichtern und bewaffnet

Gerappt, getan. Man zieht sich das Nastuch ins Gesicht und überfällt bei hellem Tageslicht mit Mistgabeln und Bschötti-schläuchen bewaffnet die örtliche Bank. Doch in dieser Kasse ist auch nicht viel zu holen, nur Münzen reicht der Kassier über den Schalter. Resultat: Bei all den originellen Ideen und überstürzten Vorhaben schaut nicht viel heraus. Herausschauen, Herausgeben? «Geben wir doch eine CD heraus!» Guter Vorschlag, aber diesmal machen wir’s gleich richtig, so der Tenor an der nächsten HV. Man macht einen Aufnahmeplan, stellt eine Hitliste zusammen, Ruedi Roth schreibt noch gschwind ein paar Zäuerli und Präsident Melch engagiert ein Handörgeliquartett. Über ein Jahr lang geht man jeden Freitagabend ins Schulhaus, wo Tonmeister Michael Jud im umfunktionierten Lehrerzimmer mit mehr oder weniger grosser Geduld, aber viel Gefühl die Aufnahmen auf die Festplatte speichert. «Bodeständig und gfühlvoll» heisst das Meisterwerk. Die erste richtige CD des Heimetchörli Hemberg. Eine ganze Ladung Gefühl und Traditionen, Naturjodel und Jodellieder. Dazu zwei total neue Kompositionen von Ruedi Roth, «Glückshoffnig» und «Der Alpstöbler». Damit hat auch der Wirt vom «Alpstöbli» seinen Platz in der Musikgeschichte erhalten. Und vielleicht wird auch aus der Geschichte von der leeren Heimetchörlikasse irgendwann mal eine Legende.

Legendär jedenfalls war das Echo der Fans. Zwei Mal füllten sie am Wochenende bei der Präsentation des Werks die Hemberger Turnhalle. Gäste aus Appenzell (Jodelchörli Wildkirchli) und dem Emmental (Jodlerklub Bumbach) feierten mit und tragen fortan die Kunde ins Land hinaus. Das ebenfalls auf der silbernen Scheibe verewigte JQ Blatter-Roth und das Hemberger Gofechörli standen Pate. Die Hälfte der frischgepressten Tonträger ist bereits fast weg. Die andere Hälfte ist bei Kassier Patrick Brunner bestellbar (079 377 12 54). Er hört es schon in seiner Blechbox klingeln und wird wohl bald wieder seinen Präsidenten anrufen. Diesmal mit einem besseren Kassenbericht.

Michael Hug

redaktion@toggenburgmedien.ch


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