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«Habe mir einen Lebenstraum erfüllt»

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Der 64-jährige Paul Güntensperger legte beim Anden-Trail während viereinhalb Monaten auf dem Bike 11000 Kilometer in den Ländern Ecuador, Peru, Bolivien, Argentinien und Chile zurück. Nun erzählt er von seinen Erlebnissen.

Beat Lanzendorfer

beat.lanzendorfer

@

toggenburgmedien.ch

Was war für Sie die Triebfeder, beim Anden-Trail mitzumachen?

Ich wollte Land und Leute des südamerikanischen Kontinentes kennen lernen und dabei meine vor zwölf Jahren in Costa Rica erworbenen Spanisch-Kenntnisse verbessern. Zudem war es schon lange ein Traum von mir, über einen längeren Zeitraum mit dem Bike allein oder in der Gruppe unterwegs zu sein.

Wer ist beim Anden-Trail startberechtigt? Braucht es spezielle Voraussetzungen?

Grundsätzlich jeder, der das 65. Altersjahr noch nicht erreicht hat und sich für 11000 km fit fühlt. Für mich war es somit höchste Zeit.

Wie verlief Ihre Vorbereitung?

Mir war eine seriöse Vorbereitung sehr wichtig. Ich habe mich während eines Jahres mit vier bis fünf wöchentlichen Trainings auf den Trip vorbereitet. Sei es auf dem Bike, auf dem Hometrainer oder im Fitnessstudio. Somit trat ich das Abenteuer - es war ja teilweise auch ein Rennen - fit und gut vorbereitet an. Jeder Teilnehmer brachte sein eigenes Fahrrad, sein Zelt und seine Ausrüstung für fast fünf Monate mit und reiste schon einige Tage vor dem Start nach Quito, Ecuador, um sich an die Höhenlage von 2800 Metern zu gewöhnen.

Wie viele Teilnehmer waren am Start?

Für die ganzen 11 000 Kilometer haben sich 22 Teilnehmer angemeldet, wobei schliesslich lediglich sechs Teilnehmer die gesamte Strecke auf dem Rad absolvierten. Es gab ja die Möglichkeit, auf ein Begleitfahrzeug aufzusteigen, wenn man sich nicht fit fühlte. Andere meldeten sich nur für ein Teilstück an, somit waren wir insgesamt 38 Fahrer. Betreut wurden wir von sechs Personen der organisierenden Firma Bike Dreams aus Holland.

Woher stammten die Teilnehmer und wie setzte sich die Altersstruktur zusammen?

Sie kamen aus elf verschiedenen Ländern, hauptsächlich aus Europa sowie aus den USA, Kanada und Australien. Die Umgangssprache war leider nicht spanisch, sondern englisch. Der Altersdurchschnitt bewegte sich um die 55 Jahre. Der Jüngste war 27, die meisten anderen zwischen 50 und 67. Irgendwie verständlich, wer kann sich schon fünf Monate eine Auszeit im Berufsleben nehmen, um mit dem Bike durch Südamerika zu fahren.

Dann waren Ihre Spanischkenntnisse gar nicht erforderlich?

Innerhalb der Gruppe nicht. Es gab aber unvergessliche Momente mit der einheimischen Bevölkerung, die ohne mein Spanisch in dieser Form nicht möglich gewesen wären. Im Weiteren berichteten zwei regionale Fernsehstationen über unser Abenteuer, bei denen ich aus Sicht des Teilnehmers Red und Antwort stehen durfte.

Gab es unterwegs einen oder mehrere Momente, in denen Sie ans Aufgeben dachten?

Körperlich ist es mir, mit Ausnahme von Magen- und Darmproblemen zu Beginn, immer gut gegangen. An diesen Tagen musste ich schon auf die Zähne beissen, um die Etappen durchzustehen, da es mein Ziel war, 100 Prozent der 11000 Kilometer mit dem Fahrrad zu absolvieren. Nach rund sechzig Prozent der Strecke wurde mir dann in der Nacht mein Bike gestohlen, das schlug mir mächtig auf die Moral. Als es dann noch drei Tage regnete, Kleider, Schuhe und Zelt nicht mehr trocken wurden und sich einige Teilnehmer ausgeklinkt hatten, um mit Bussen zum übernächsten Tagesziel zu fahren, kamen schon Zweifel auf.

Wie ging es für Sie weiter?

Ich erhielt ein Ersatzbike, das von einem Crewmitglied war, das einige Tage vorher die Heimreise angetreten hatte. Ich musste die Situation annehmen wie sie war, obwohl das Bike einige Mängel aufwies und nicht mit meinem geliebten, gestohlenen Bike, genannt Pura Vida, vergleichbar war.

Wie lang waren die einzelnen Tagesrouten?

Im Durchschnitt legten wir pro Tag 101 Kilometer zurück. Das längste Teilstück war 164 Kilometer, das kürzeste 40.

Auf was für Strassen oder Wegen waren Sie unterwegs?

Da gab es alles, Autobahnen, Teerstrassen, Schotter- oder Sandwege, auf denen das Bike geschoben werden musste. Ganz speziell war die Überquerung des Salzsees «Salar de Uyuni» in Bolivien. Dieser See hat eine Fläche von 10582 Quadratkilometern, was einem Viertel der Schweiz entspricht. Ein Grossteil der 11000 Kilometer führte durch unbewohntes Gebiet. Ich fuhr solche Strecken gerne alleine, betrachtete die Landschaft und war dankbar für all das, was ich hier in Südamerika erleben durfte.

Wie waren die Verhältnisse, das Wetter, die äusseren Bedingungen?

Es gab Hagel, Regen und Schnee und vor allem in Patagonien sehr viel Wind, was ein Weiterkommen manchmal fast verunmöglichte und das Schlafen im Zelt unheimlich machte. Insgesamt hatten wir aber riesiges Wetterglück, es regnete effektiv nur an sechs Tagen und auch der Rückenwind half uns manchmal, die Etappenziele früher als geplant zu erreichen. In der Nacht fielen die Temperaturen manchmal unter null Grad. Besonders zu schaffen machte mir die Kälte abends und morgens. Tagsüber hingegen stieg das Thermometer auf angenehme Werte.

Südamerika hat hohe Berge. Welches war der höchste Punkt, den Sie überquerten?

Speziell zu Beginn fuhren wir fast ausschliesslich auf einer Höhe von 3500 Metern. Wir überquerten mehr als 40-mal Pässe von mehr als 4000 Metern, wobei der Huascaran im peruanischen Nationalpark mit 4895 Metern der höchste war. Total bewältigten wir 110000 Höhenmeter.

Wo waren Sie untergebracht?

Im Hotel und Hostel und zu rund zwei Dritteln im Zelt. Vor allem im Süden, als wir in Chile und Argentinien unterwegs waren, übernachteten wir praktisch nur noch im Zelt.

Sind auch bleibende Freundschaften entstanden?

Solche, mit denen ich jetzt regelmässig Kontakt habe, nicht. Es könnte aber durchaus sein, dass es zu Besuchen kommt, wenn ehemalige Teilnehmer einmal in der Nähe sein sollten.

Was war für Sie das eindrücklichste Erlebnis dieser fast fünf Monate?

Das war, wie schon oben beschrieben, der Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung, die sehr herzlich und hilfsbereit ist. In Erinnerung bleibt mir auch die Begegnung mit einem Puma, der mir über den Weg lief, als ich die Andenkondore mit ihrer riesigen Spannweite im chilenischen Nationalpark Torres del Paine beobachtete.

Gab es auch kritische Situationen zu bewältigen?

Für mich persönlich nicht. Einmal gingen aber zwei Teilnehmer verloren. Als sie bei Dunkelheit noch immer nicht im Camp waren, machten wir uns doch Sorgen. Wir fanden sie dann um 23 Uhr im nächsten Dorf. Als sie bemerkten, dass sie es bei Tageslicht nicht mehr ins Camp schafften, hatten sie sich entschlossen, eine Übernachtungsmöglichkeit im Dorf zu suchen.

Ist eine nächste Tour mit Bike Dreams geplant?

Bike Dreams organisiert verschiedene Touren auf der ganzen Welt. Der Anden Trail, welcher alle zwei Jahre stattfindet, deckte sich mit meinen Traumvorstellungen fast zu 100 Prozent. Ich habe mir meinen Traum nun erfüllt, eine Fortsetzung ist nicht geplant. Sportlich freue ich mich nun auf schöne Touren mit dem Rad Club Kirchberg innerhalb unserer schönen Gemeinde oder im Toggenburg und auf das Fussball-Tennis mit den Kameraden des FC Kirchberg. Privat möchte ich jetzt mehr Zeit mit meiner Familie verbringen.

www.bike-dreams.com


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