Martina Signer
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Es ist nicht gerade alltäglich, dass aus einer kleinen Region wie dem Toggenburg zwei höhere Stabsoffiziere stammen. Insgesamt gibt es 30 Brigadiers. Höher sind nur 14 Divisionäre und fünf Korpskommandanten. Einer der zwei Toggenburger Brigadiers ist Peter Baumgartner aus Mosnang. Er ist in Chur bei der Gebirgsinfanteriebrigade 12 stationiert und dort der höchste militärische Vertreter auf dem Platz.
Grüezi Herr Baumgartner. Oder wie hätte ich Sie als rangniederer Soldat begrüssen müssen?
Baumgartner: Ein Soldat im WK meldet sich an mit «Brigadier, Soldat - sagen wir mal Scherrer» -, und die höheren Kader begrüssen mich mit «Kommandant».
Sie sind der höchste Soldat auf dem Platz, ist das richtig?
Ja, das stimmt. Es ist ein spezielles Gefühl, hier Brigadier zu sein. Die Gebirgsinfanteriebrigade 12 hat eine lange Tradition. Sie ist 2004 als Folge von Armee 21 aus der Gebirgsdivision 12 entstanden. Diese Division war sozusagen der Anker der Schweizer Armee in der Südostschweiz. Die Beziehungen von Chur zu Bern waren schon immer eng. Und diese Aura der Tradition umgibt die Brigade noch heute. Heute sind wir eigentlich eine klassische Infanteriebrigade. Gleichzeitig führe ich ab diesem Jahr die Zentralschule in Luzern. Dort bin ich verantwortlich für die Ausbildung aller angehenden Einheitskommandanten, aller Bataillons- und Abteilungskommandanten sowie aller Stabsoffiziere auf Stufe Bataillon und Abteilung.
Und was ist Ihre Aufgabe in der Infanteriebrigade?
Meine Aufgabe ist es, die Grundbereitschaft der Bataillone und des Brigadestabs sicherzustellen. Grundbereit ist die Brigade dann, wenn sie im ganzen Einsatzspektrum jederzeit eingesetzt werden kann. Dieser Aufgabenbereich umfasst das Schützen, das Helfen und das Kämpfen. Somit sind die Aufgaben sehr breit gefächert.
Können Sie Beispiele nennen?
Eine hohe Priorität hat die Unterstützung der zivilen Behörden in ausserordentlichen Lagen. Zum Beispiel beim WEF in Davos. Dann ist da der Schutz kritischer Infrastrukturen. (Diese können in drei Ebenen eingeteilt werden: Mit der geringsten Trennschärfe lassen sie sich zu sogenannten Sektoren zusammenfassen, etwa Energie, Versorgung oder Verkehr. Anm. d. Red.) Beim Kämpfen geht es in letzter Konsequenz um die Abwehr feindlicher Angriffe. Auch wenn dies bezüglich unserer Nachbarländer im Moment unwahrscheinlich erscheint, gilt es, diese Kompetenz aufrecht zu erhalten. Die aktuelle Lage in und um Europa ist zur Zeit sehr instabil, und niemand kann uns die Zukunft voraussagen. Diese Kompetenz stellt primär Brigadier Willy Brülisauer mit der Panzerbrigade 11 sicher, und wir als Infanterie leisten unseren Beitrag dazu.
Das sind nur einige Beispiele, wie Sie sagen. Das heisst, es gibt ganz schön viel zu tun in der Ausbildungszeit.
Richtig. Das ist auch die Herausforderung: Die Soldaten in der zur Verfügung stehenden Zeit auf alle möglichen Szenarien vorzubereiten. Wir leisten heute mehr in Bereichen, die früher Spezialeinsatzkräfte erfordert haben. Nehmen wir das Beispiel der Schiesserei von Rehetobel von vergangener Woche. Wenn in diesem Szenario ganze Gruppen von Bewaffneten beteiligt gewesen wären, hätten wir Seite an Seite mit der Polizei agiert. An oberster Stelle steht jedoch immer die Landesverteidigung.
Sind Infanteristen nicht auch bekannt als Fusssoldaten, die ständig irgendwohin marschieren?
Früher mag es so gewesen sein, dass die Infanteriesoldaten häufig marschiert sind. Heute haben wir es aber mit einer ganz anderen Komplexität zu tun. Wenn man nur schon die Bewaffnung und die Ausrüstung von heute und früher betrachtet. Damals hatte man als Infanteriekompanie noch eine Handvoll Fahrzeuge dabei. Heute sind es Dutzende. Die hohe Mulitifunktionalität und die gute Ausrüstung der Infanterie ist für die jungen Soldaten sehr attraktiv. Wir müssen uns keine Sorgen um Nachwuchs machen.
Können Sie sich noch an Ihre RS erinnern?
Ja, sehr gut sogar. Das war 1984 in Herisau. Ein prägendes Erlebnis war der erste Tag. Ich hatte das Gefühl, meine Haare seien wirklich superkurz geschnitten. Und dennoch musste ich nochmals zum Coiffeur, weil sie noch zu lang gewesen waren.
Wann kam der Entschluss, im Militär Karriere zu machen?
Bis und mit Oberleutnant war es eigentlich nie ein Thema. Damals war ich als Landwirt noch in meinem Beruf tätig und entschied, den Technischen Kaufmann zu absolvieren mit der Idee, nach Australien auszuwandern. Ich entschied mich dann aber für das Berufsmilitär.
Als Berufssoldat sind Sie häufig unterwegs. Bleibt da noch Zeit für Familie und Freizeit in Mosnang?
Das hängt etwas davon ab, wo die Truppe im Dienst ist. Nächstes Jahr sind drei meiner Bataillone im Toggenburg stationiert. Dann werde ich natürlich öfters einen Abend zu Hause verbringen können. Jetzt im Januar werde ich allerdings im Tessin sein. Der Beruf beinhaltet also eine grosse Unregelmässigkeit, und ich bin dankbar, dass mich meine Familie dabei unterstützt. Das Präsidentenamt des Tennisclubs Mosnang hingegen werde ich wohl bald abgeben müssen.
Sie haben zwei Söhne. Haben die beiden die Rekrutenschule oder Zivildienst gemacht?
Sie haben beide die RS absolviert. Einer der beiden hat die Weiterbildung zum Wachtmeister gemacht. Der andere wurde Fourier. Zivildienst war nie eine Option.
Warum nicht?
Wenn immer mehr Männer den Zivildienst machen, fehlt der Armee der erforderliche Nachwuchs. Meiner Meinung nach müsste man den Orientierungstag vor der RS auch für die Frauen obligatorisch machen. So könnte man auch den noch unentschlossenen Frauen den Zugang zur Armee erleichtern und die Chancen aufzeigen, die das Militär bietet. Die Armee bietet übrigens insgesamt mehr als 200 verschiedene Berufe an.
Was macht denn den Zivildienst heute so attraktiv?
Die Zustimmung der Bevölkerung zur Armee war mit aktuell 84 Prozent noch nie höher. Viele davon sagen sich aber: Es braucht eine Armee - aber lieber ohne mich. Diese wählen den Zivildienst. Und es ist halt schon ein Unterschied, ob man im Zivildienst morgens um 8 Uhr antreten muss oder ob man im Militär zum Beispiel in kalter Nacht Wachdienst leistet. Letztendlich ist es wohl vor allem eine Frage der Solidarität, ob man unter Einsatz des Lebens mit der Waffe hinsteht, um unser Land und unsere Bevölkerung zu schützen.