Beat Lanzendorfer
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Herr Eberle: Wie wird man Historiker?
Primär muss das Interesse an Geschichte vorhanden sein. Nach der Kantonsschule in Wattwil wäre ich jede Wette eingegangen, dass ich nie an einer Universität bin, weil mich die akademische Welt ziemlich abgestossen hat.
Warum ist es trotzdem anders gekommen?
Nach der Matura habe ich während knapp zwei Jahren als Elektromonteur auf Montage gearbeitet. Irgendwann reifte die Einsicht, das ist es auch nicht. Ich habe dann trotzdem den Weg an die Universität Zürich gefunden und begann mit dem Studium in Geschichte, Ethnologie und Publizistik.
Wie lange ging das Studium?
Lange. Ich war ein sogenannter Werkstudent und musste zwischendurch immer wieder arbeiten, um mir das Studium finanzieren zu können. Ich begann 1976 und habe mit dem Lizenziat 1986 abgeschlossen.
Zu welchem Thema haben Sie Ihr Lizenziat abgelegt?
Es ging um die Missionsgesellschaft Bethlehem in Immensee und ihr Engagement in Rhodesien, dem heutigen Zimbabwe. Mich hat schon immer interessiert, wie die Menschen leben. Mein Lizenziat habe ich zwar über ein fremdes Land abgeschlossen, mit zunehmendem Alter legte sich der Fokus aber auf unsere Kultur und die Leute, die hier gelebt haben. Das sind auch die Themen, die ich den Menschen näherbringen möchte, wenn ich Bücher schreibe.
Wie haben Sie sich in Ihrer Studienzeit Ihren Lebensunterhalt verdient?
Mit allem, was ich fand, wählerisch war ich nicht. Unter anderem hatten wir, ehemalige Kollegen aus meiner Wattwiler Kantonsschulzeit, in Ebnat-Kappel von 1980 bis 1984 mit dem «Schützengarten» während viereinhalb Jahren eine Genossenschaftsbeiz. Ich war Koch, habe serviert und bediente auch das Buffet.
Heute schreiben Sie am liebsten über die Geschichte der unmittelbaren Region. Warum dies?
Grundsätzlich bin ich darauf angewiesen, dass ich solche Aufträge erhalte. Mit der Zeit habe ich festgestellt, dass diese Arbeit ungemein spannend ist, denn die Menschen haben nur eine verschwommene Ahnung, was bei uns in den letzten einhundertfünfzig Jahren alles passiert ist. Ich entstamme noch einer Generation, die in relativ bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen ist. Aus meiner Sicht ist es viel schwieriger, etwas über die Ortsgeschichte zu schreiben, weil die unmittelbare Möglichkeit besteht, festzustellen, ob ich effektiv das Richtige wiedergegeben habe. Wenn man über Menschen und Örtlichkeiten von hier schreibt, muss es stimmen und nachvollziehbar sein.
Schauen Sie lieber zurück oder interessiert Sie auch das jetzt?
Selbstverständlich bin ich an der Tagespolitik interessiert. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gehören zusammen. Viele Probleme der heutigen Zeit kann man besser verstehen, wenn man die historischen Zusammenhänge kennt. Wer vorausschauen will, sollte zuerst zurückblicken. Leider passiert dies heute viel zu wenig und wir begehen immer wieder die gleichen Fehler. Die Balkankrise oder das, was zurzeit im Nahen Osten abgeht, sind nur zwei Beispiele.
Wie lange sind Sie eigentlich schon selbstständiger Unternehmer?
Ich war immer, zumindest teilweise, selbstständig. Ich konnte mich nie dafür erwärmen, eine Hundert-Prozent-Stelle irgendwo anzunehmen. In den Achtzigerjahren hatte ich eine Fünfzig-Prozent-Anstellung beim Amt für Kultur des Kantons St. Gallen. Mit der Gründung der eigenen Aktiengesellschaft im Jahre 1989 musste ich mich dann entscheiden, angestellt oder selbstständig. Ich habe den Weg in die Selbstständigkeit in all den Jahren nie bereut.
Wie viele Angestellte arbeiten in Ihrem Betrieb?
Es sind acht Angestellte, die sich etwa 500 Stellenprozente aufteilen.
Und wer sind Ihre Auftraggeber?
Wir decken eine breite Palette von Dienstleistungen ab. Das Standbein sind Archivorganisationen. Hier sind die wichtigsten Auftraggeber öffentlich-rechtliche Körperschaften wie Bund, Kanton oder Politische Gemeinden, aber auch Kirch-, Schul- oder Ortsgemeinden. Darüber hinaus fertigen wir jede Art von Inventar an, wie zuletzt das Kunstinventar des Klosters Berg Sion, bei dem es um den Kirchenschatz ging. Wir erarbeiten auch Ortsbildinventare. Zu unseren Kunden zählen aber auch private Firmen. Dann decken wir ebenfalls einen grossen Bereich im Scanning und der Digitalisierung ab. Meine Philosophie ist, wir arbeiten mit vielen Spezialisten zusammen, denn letztlich kann der Kern unserer Mitarbeiter nicht alles abdecken. Am Ende muss die Qualität des Produkts, das wir dem Kunden abliefern, stimmen.
Sie sind jetzt bald 62. Haben Sie sich schon mit Ihrer Nachfolgeregelung befasst?
Das ist ein Thema. Es wäre fahrlässig, wenn es keines wäre. Ich überlege seit längerem, wie es weitergeht. Mit meinem Stellvertreter Mario Gähwiler, er ist mein Göttibub, konnte ich eine gute Lösung finden. Dies erlaubt mir das sukzessive Abgeben von Kompetenzen. Er hat ein Geschichtsstudium hinter sich, ist seit dem Studium bei mir angestellt und konnte sich über die Jahre bei mir einarbeiten. Für mich ist diese Lösung ein absoluter Glücksfall. So ist gewährleistet, dass es weitergeht. Vorerst bin ich noch hier, ich denke, der Abbau wird fliessend erfolgen. Was sicher noch geplant ist, sind weitere Bücher. Die Projektideen gehen mir sicher nicht aus. Stoff ist auch genügend vorhanden.