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Touristen können ganz schön teuer sein

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Im Kanton St. Gallen muss der Aufenthaltsort zahlen, wenn Ausländer ohne Wohnsitz in der Schweiz Soforthilfe benötigen. Schon mehrfach musste die Gemeinde Wildhaus-Alt St. Johann Rega-Rechnungen übernehmen, allerdings nur im vierstelligen Bereich.

Martin Knoepfel

martin.knoepfel

@toggenburgmedien.ch

Die Rechnung war gesalzen, und der Fall machte deshalb vor kurzem landesweit Schlagzeilen. Die Obwaldner Tourismusdestination Engelberg musste Spitalkosten von fast 350 000 Franken für einen ausländischen Touristen bezahlen.

Der Grund: Ein ausländischer Tourist war während seines Aufenthalts in der Schweiz so schwer erkrankt, dass er in die Intensivstation des Spitals Stans gebracht wurde und dort sechs Wochen bleiben musste, bevor man ihn in seine Heimat zurücktransportieren konnte. Für das Spital ergaben sich laut einer Mitteilung der Gemeinde Engelberg ungedeckte Kosten von 388 900 Franken.

Gleicher Fall auch im Kanton St. Gallen möglich

Hier kommt das Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger ins Spiel. Das «Zuständigkeitsgesetz», wie der sperrige Titel lautet, sagt, dass der Aufenthaltskanton für die Unterstützung von Ausländern zuständig ist, wenn sie sofortige Hilfe benötigen und wenn sie keinen Wohnsitz in der Schweiz haben. Ob der Kanton diese Kosten auf die Gemeinden überwälzt, liegt in seiner Kompetenz (siehe Zusatzartikel). Da stellt sich die Frage, ob sich ein solcher Fall auch im Toggenburg ereignen könnte oder schon ereignet hat. Die Antwort auf die erste Frage lautet «Ja». Bei der zweiten heisst es «Nein». Die Rechtslage im Kanton St. Gallen ist grundsätzlich gleich wie in Obwalden. Die Gemeinde, in der sich jemand aufhält, ist zur Unterstützung in Notfällen verpflichtet. Das gilt, wenn jemand als Tourist hier weilt oder wenn eine Person sich illegal in der Schweiz aufhält. Illegale Aufenthalter könnten etwa Personen sein, die Opfer von Menschenhandel wurden. Das schreibt der Regierungsrat in seiner Botschaft an den Kantonsrat zum IV. Nachtrag zum Sozialhilfegesetz. Die erste Lesung der Vorlage hat im November stattgefunden.

Rega greift auf Gemeinde zurück

Rolf Züllig ist Gemeindepräsident von Wildhaus-Alt St. Johann. Er bestätigt, dass die Gemeinde in den letzten Jahren nicht für Spitalaufenthalte von Touristen aufkommen musste. Hingegen passiere es ab und zu, dass ausländische Touristen sich mit der Rega in ein Spital ausfliegen liessen und nach der Heimkehr die Rechnung nicht bezahlten. In solchen Fällen greife die Rega auf die betreffende Gemeinde zurück.

Rolf Züllig erinnert sich an drei Fälle in den letzten sieben Jahren mit Kosten von jeweils 1000 bis 2000 Franken pro Fall. «Darüber ärgert man sich natürlich, aber das wirft den Haushalt der Gemeinde nicht über den Haufen». In Erinnerung bleibt Rolf Züllig besonders die Person, die sich zweimal mit der Rega befördern liess, einmal ins Kantonsspital St. Gallen und einmal ins Kantonsspital Chur - und beide Rechnungen schuldig blieb.

Allerdings wird sich die Situation aller Voraussicht nach ändern. Der Regierungsrat schlägt neben weiteren Änderungen am Sozialhilfegesetz einen neuen Artikel 9c vor. Der neue Artikel hält fest, dass die Kosten für die Soforthilfe bei Ausländern ohne Wohnsitz in der Schweiz künftig vom Kanton getragen werden. Es soll allerdings eine Grenze von 500 Franken geben. Kosten unter dieser Grenze würden als Bagatellfälle eingestuft und bei den Gemeinden hängen bleiben.

In der Diskussion unbestritten

Erwin Böhi (SVP, Wil) ist Präsident der vorberatenden Kommission, die den IV. Nachtrag zum Sozialhilfegesetz behandelte. Die Neuregelung bei Ausländern ohne Wohnsitz in der Schweiz war nach seiner Auskunft in der Kommission unbestritten. Auch in der Ratsdebatte habe sich die Diskussion an anderen Fragen entzündet. Den meisten Kantonsräten und ihm selber sei es nicht bewusst gewesen, welches Ausmass Unterstützungspflicht annehmen könne, sagt Erwin Böhi. Er wird eventuell in der zweiten Lesung in der Februarsession an den Fall Engelberg erinnern. Sehr sinnvoll sei, dass der Kanton in solchen Fällen abkläre, ob noch Rückforderungen bei Versicherungen oder anderen Körperschaften möglich seien. Häufig sei nämlich Geld zu holen, «doch eine Gemeinde ist mit so komplizierten Fällen überfordert. Da ist es gut, wenn das eine übergeordnete Instanz erledigt. Manchmal handelt der Gesetzgeber vorausschauend und macht etwas Sinnvolles», sagt Erwin Böhi und lacht.


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