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Die Rückkehr der Weberei

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Vor vier Jahren verlor die Bütschwiler Textilfirma Rigotex AG ihren wichtigsten Kunden. Der existenziellen Frage begegnete die Firma und passte sich an. Auf ein Geschirrtuch mit Kultpotenzial musste sie aber ein Blogger hinweisen.

BÜTSCHWIL. Die im Toggenburg ehemals starke Textilindustrie erfuhr in den 90er-Jahren einen Niedergang. Die Ankündigung der Rigotex AG war deshalb nicht unbedingt zu erwarten. Im März gab die Bütschwiler Firma bekannt, dass nach rund 25 Jahren wieder eine Weberei im Bütschwiler Soorpark den Betrieb aufnehmen werde. «Die Resonanz auf die Mitteilung war überwältigend», sagt Geschäftsführer Hans Hauser.

Produktion war kein Thema

Seit zwei Monaten rattern die Webmaschinen im Bütschwiler Soorpark wieder. Als Hauser zusammen mit seinem Bruder Marcel am 13. Juni 1996 die Firma gründete, hatten sie nicht die Absicht, jemals als Produktionsfirma aufzutreten. Davon zeugt die ursprüngliche Firmenbezeichnung Rigotex Handels AG. Das Unternehmen fokussierte darauf, Webereien zu bedienen. Der wichtigste Kunde war die Buntweberei Schönenberger in Dietfurt. Diese unterstützte Rigotex vor allem im Bereich Objekt- und Gastrohandel, also der Belieferung von Restaurants, Spitälern oder Heimen. «Wir verzichteten sogar darauf, selber am Markt aufzutreten», sagt Hauser. «Das ging rund 16 Jahre lang gut.»

Existenzielle Frage

2012 gab die Buntweberei Schönenberger die Schliessung bekannt. Für die Rigotex fiel damit der grösste und wichtigste Kunde weg. «Das war dann schon eine existenzielle Frage», blickt Hauser auf die schwierige Zeit zurück. «Wir konnten aber mit dem Verwaltungsrat der Weberei eine gute Lösung finden.» Das Geschäftsfeld Objekt- und Gastrohandel wechselte von Dietfurt nach Bütschwil. Selbst das Logo der Buntweberei Schönenberger wurde übernommen, um den Wiedererkennungswert zu vergrössern. Schliesslich musste Rigotex jetzt selber am Markt auftreten.

An eine eigene Produktion dachte in Bütschwil auch jetzt noch niemand. Und deshalb drohte ein Produkt der Weberei Schönenberger vergessen zu gehen, das klassische Geschirrtuch. Kariert, meist rot-weiss, in praktisch jedem Schweizer Haushalt anzutreffen. Das rief den Blogger Andreas Gossweiler auf den Plan. Er beklagte sich über den drohenden Verlust des «Kult-Tüechlis» und erfand damit gleich auch die Bezeichnung für das Geschirrtuch. Die Meldung schlug Wellen. Sogar der Blick am Abend berichtete. Auch Hauser wurde so auf das Geschirrtuch aufmerksam: «Es ist wie bei der eigenen Heimat. Manchmal müssen Fremde kommen, um uns in Erinnerung zu rufen, wie schön es hier ist. Auch bei diesem Geschirrtuch musste uns jemand darauf hinweisen.»

«Kult-Tüechli» lebt weiter

Schon im darauffolgenden Jahr startete die Produktion des Geschirrtuchs wieder, damals noch in der Weberei Russikon im Zürcher Oberland. «Wir haben gemerkt, dass ein Potenzial für einheimische Produkte existiert», sagt Hauser. Darum rief Rigotex 2014 die Linie Kultschtoff ins Leben, die sich weiteren Produkten mit schweizerischen Sujets verschreiben sollte. Zusammen mit der Toggenburger Scherenschnittkünstlerin Jolanda Brändle gestaltete das Unternehmen weitere Produkte.

Die Zusammenarbeit mit der Weberei Russikon, die wie die Obertoggenburger Firma Meyer-Mayor zu der Getzner-Gruppe gehört, wurde durch die intensivere Wettbewerbssituation erschwert. Das veranlasste die Rigotex, eine neue Lösung zu suchen. «Die Linie wieder einzustampfen, kam nicht in Frage. Wir hatten das ganze Marketing zu stark darauf und auf Swiss made ausgerichtet», beschreibt Hauser die Ausgangslage. Der Entscheid für eine eigene Produktion unter dem Label Webschtoff sei dann fast schon spontan gefallen. «Ich bin aber nach wie vor überzeugt, dass das richtig war.» Im März legte die Firma los. Zwei «währschafte, unverwüstliche Maschinen von Sulzer Rüti», wie es Hauser nennt, tun seither ihren Dienst. Zwei weitere werden demnächst in Betrieb genommen und sollen komplexere Produkte herstellen können. In der Halle ist Platz für sechs weitere Maschinen vorhanden. Die Kapazität sei aber jetzt schon ausreichend, wie Hauser vorrechnet. «Mit drei Geschirrtüchern in vier Minuten könnten wir pro Maschine theoretisch rund 2000 Tücher pro Woche herstellen. Wir bewegen uns aber in einer Nische, dessen sind wir uns bewusst. Und wir wollen auch dort bleiben. Ein Massengeschäft werden diese Tücher nie werden.»


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