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Channel: Ostschweiz - St. Gallen - Toggenburg
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An Bildern wird nicht gespart

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Jedes Jahr findet der Toggenburger Bildkalender seinen Weg in Tausende von Wohnzimmern, Büros und Werkstätten. Fotograf ist Ruedi Flotron aus Bächli.

BÄCHLI. Die Fahrt zu Ruedi Flotrons Heim führt durch Täler und über Berge, durch Kulturland und Wälder. Die Aussicht ist grandios, man bewegt sich wie durch ein Bilderbuch. Ruedi Flotron wohnt in Bächli (Hemberg) und als Besucher denkt man sich: Ja, das passt. Denn Flotrons Toggenburger Bildkalender spart nicht mit spektakulären Landschaftsimpressionen, vom Neckertal bis ins Obertoggenburg. Der diplomierte Krankenpfleger lebt seit 1981 in Bächli, das Toggenburg hätte ihm damals «den Ärmel reingenommen». Flotron arbeitete erst in einem Kinderheim, Anfang der 2000er-Jahre übernahm er die Leitung der Spitex-Dienste Neckertal. Zum nebenberuflichen Landschaftsfotografen wurde er durch Zufall. Er musste oft Wanderungen planen, also packte er dafür auch seine Kamera ein. Das sprach sich herum, und vor 22 Jahren kam Marcel Steiner, heute Verleger des Toggenburger Verlags Schwellbrunn, auf ihn zu. Ob er Lust hätte, eine Alternative zum Appenzeller Kalender zu bieten? Flotron hatte Lust und 1997 erschien der erste Toggenburger Bildkalender.

Seither arbeiten Marcel Steiner und Ruedi Flotron zusammen. Flotron schiesst die Fotos und trifft eine erste Auswahl, in der Regel rund zehn Bilder für jeden einzelnen Monat. Steiner verfeinert die Auswahl, dann setzen sich die beiden vor den Rechner und nehmen die für den Druck nötigen Anpassungen vor. Die Kalender brauchen viel Vorlauf, zurzeit arbeitet Flotron an der 2018er-Auflage.

Störende Kondensstreifen

Ruedi Flotron fotografiert systematisch. Durch seine vielen Wanderungen in der Region weiss er, in welchem Monat sich welche Gegend für ein Motiv anbieten könnte, also schultert er zur passenden Zeit Stativ und Kamera. Von den Jahreszeiten mag Flotron den Sommer am wenigsten - eine langweilige Jahreszeit, alles so gleichmässig grün. Am liebsten fotografiert er das herbstliche Toggenburg, da würde die Natur die schönsten Farben zeigen. Aber auch im Herbst bleibt das eine grosse Problem der heutigen Landschaftsfotografie bestehen: die Zivilisation. Hochspannungsleitungen müsse er im wahrsten Sinne des Wortes umgehen, und mit den Jahren sei es immer schwieriger geworden, in seinen Bildern Satellitenschüsseln und Kondensstreifen zu vermeiden. Retuschen mache er keine, er sei kein Photoshop-Mensch. «Wenn ein Steinbock ein krummes Bein hat, dann ist das halt so», lacht Flotron.

Von analog zu digital

Ruedi Flotron liess sich schon als Kind von der Fotografie-Leidenschaft seines Vaters anstecken. Die erste eigene Kamera fütterte er dann mit einem Schwarzweissfilm, den er selbst im Heimlabor entwickelte. Aber schon bald wechselte er auf Diafilm, und das nicht zu knapp: Flotrons Archiv fasst über 40 000 Bilder. Als er vor zehn Jahren durchrechnete, wie viel ihn sein Hobby kostete, stieg er auf Digitalkameras um. Über 200 Filme jährlich, inklusive entwickeln à 16 Franken - da sei ihm der Kauf einer teuren digitalen Spiegelreflexkamera plötzlich nicht mehr ganz so teuer vorgekommen. In zwei Jahren wird Ruedi Flotron pensioniert. Er plant, wieder mehr Naturfotografie statt «nur» Landschaftsfotografie zu betreiben und freut sich auf weitere Reisen, besonders nach Lateinamerika. Flotron und seine Partnerin halten regelmässig Bildvorträge, der nächste Vortrag zum Thema «Peru» findet am 9. September in Rorschach statt.

Herr Flotron, weshalb sind Sie vor bald zehn Jahren auf digitale Kameras umgestiegen?

Ruedi Flotron: Neben dem Kostenargument spielten vor allem praktische Beweggründe eine Rolle. Mein Dia-Archiv füllt ganze Schränke, ich kann zehnmal so viele Bilder auf einem einzelnen Laufwerk archivieren und problemlos auf Backup-Platten sichern. Auch arbeiten die heutigen Druckvorstufen grösstenteils digital. Ich müsste also Negativstreifen oder Dias zuerst aufwendig scannen, bevor der Verlag etwas damit anfangen kann.

Was halten Sie denn generell von der Digitalfotografie?

Flotron: Für junge Fotografinnen und Fotografen sind Digitalkameras ein Segen. Man drückt ab und sieht sofort, ob man einen Fehler gemacht hat - und nicht erst Stunden bis Wochen später, wenn der Film entwickelt ist. Man kann also schnell viel lernen.

Aber? Sie klingen skeptisch.

Flotron: Machen wir uns nichts vor, mit der Digitalfotografie wird auch viel Schrott produziert. Man drückt schneller mal ab, statt diszipliniert an ein Motiv heranzugehen. Auch hat sich der Umgang mit Urheberrechten zu einem Problem entwickelt. Persönlich hat mir die analoge Zeit viel gebracht. Das Filmmaterial diente mir als Lehrgeld, denn das Bild musste sitzen, sonst wurde es teuer. Und besonders Diafilm verzeiht keine Fehler. Das kommt mir auch heute noch zugute - trotz digitaler Kamera.


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