Quantcast
Channel: Ostschweiz - St. Gallen - Toggenburg
Viewing all articles
Browse latest Browse all 1001

Das Wort «Risiko» dominiert

$
0
0
Christian Rufer trägt bei Swiss Ski nach einem zweijährigen Unterbruch erneut die Verantwortung für das Snowboard-Alpin-Team. Das Fernziel des Nationaltrainers bleiben Olympia-Podestplätze 2018.

SNOWBOARD. «Der Zeitpunkt passte.» Mit diesen Worten fasst Christian Rufer aus Ebnat-Kappel zusammen, weshalb er nach zwei Jahren Snowboard-Abstinenz eher überraschend vom Rücktritt zurückgetreten ist. Nach den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 hatte sich der erfolgreichste Schweizer Wintersporttrainer aus der Szene verabschiedet. Im Sommer wurde für das Alpin-Team zwei Saisons vor Olympia 2018 ein neuer Chef gesucht, der weiss, worum es geht, die Abläufe und den Grossteil der Athleten kennt. «Durch die Pause bekam ich von aussen einen andern Blickwinkel. Die Freude und Überzeugung, etwas bewirken zu können, kehrte zurück. Ich habe gespürt, dass bei Swiss Ski Snowboard wie die andern Disziplinen behandelt wird.»

Die Vernetzung innerhalb der alpinen Snowboardszene machte dem alten/neuen Nationaltrainer den Wiedereinstieg einfach. «Seit 2014 gab es kaum Veränderungen. Das jetzige Wettkampfformat mit nur einem Lauf kenne ich bereits. Dieser Modus wirkt sich von der taktischen Ausrichtung her auf unseren Sport aus. Früher gab es im Gesamtweltcup einige Athleten, die vorne wegfuhren. Jetzt werden die Punkte viel breiter verteilt», hat Christian Rufer auch bei seinem temporären Coaching der Japanerin Eri Yanetani erkannt.

Bei der Analyse des Ist-Zustandes dominiert das Wort «Risiko». Der Chef liefert die Erklärung: «Mit zwei Läufen setzten sich die Spitzenleute wie die Gebrüder Schoch meist dank konstanter Leistungen durch. Jetzt greifen die Jungen voll an, weil sie die Chance wittern, Topleute mit einem perfekten Lauf schlagen zu können. Von zehn Versuchen gelingen vielleicht zwei. Die Favoriten sehen sich in der ungewohnten Situation, ebenfalls Risiken eingehen zu müssen, werden anfälliger für Fehler. Seriensieger werden seltener.»

«Erfahrene Sportler muss ich unterstützen»

Sein Vorgänger Ingemar Walder war ein Organisator, reservierte die besten Pisten, plante, was möglich war. «Ich bin», so Rufer, der von seinen Leuten Eigenverantwortung fordert, «in diesem Bereich weniger perfekt. Wir müssen auch bei Schneefall, Wind und unangenehmer Kälte auf schlechten Pisten schnell sein. Wichtig ist, jedes Training fokussiert anzugehen, ein Ziel zu haben, sich auf die wechselnden Bedingungen einzustellen, nicht einfach Läufe abzuspulen. Das bringt nichts.»

Der alte Neue bezieht die Athleten je nach Situation in die Diskussionen ein, führt Gespräche, lässt sie allenfalls entscheiden oder gibt die Leitplanken vor. «Erfahrene Sportler muss ich nicht an der Hand nehmen und führen, sondern unterstützen. Wir wollen als Team gemeinsam erfolgreich sein. Jeder hat seinen Teil beizutragen. Sonst funktioniert es nicht.»

Olympiasiegerin Patrizia Kummer geht ihren eigenen Weg abseits der Mannschaft. «Wir haben dies geregelt. Sie bereitet sich individuell vor, startet für Swiss Ski, und bei Wettkämpfen bin ich ihr Ansprechpartner. Auch dies muss möglich sein.»

Snowboard-Boom ist vorbei

An den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 wiesen die Snowboard-Bewerbe hohe Einschaltquoten auf. Trotzdem wird viel über die rückläufigen Board-Verkaufszahlen gesprochen. Für Christian Rufer kein Grund, an der Attraktivität der Bretter-Disziplinen zu zweifeln. Zumal die Boarder, ob Halfpipe, wie der Toggenburger Jan Scherrer, oder alpin, wie die Rheintalerin Julie Zogg, an den Olympischen Spielen seit Jahren zu den Medaillengaranten gehören. «Wenn eine Randsportart boomt, ist es logisch, dass es irgendwann abwärts geht und sich alles auf einem gewissen Niveau einpendelt. Das ist kein Snowboard-Phänomen.»

Christian Rufer beschäftigen solche Diskussionen am Rande. Es müsse sich, ist er überzeugt, eine Gruppe, eine Clique bilden, um einen kleinen Boom auszulösen. «Einer versucht sich, weil es in der Region einen erfolgreichen Sportler gibt. Ein Kollege stösst dazu, andere ziehen mit. Sie wollen etwas erleben, gemeinsam Spass haben. Daraus kann sich etwas entwickeln. Es beginnt doch keiner für sich zu boarden, nur weil er Spitzensportler werden möchte.»

Sichtungstrainings nützten der Nachwuchsrekrutierung nur bedingt, verliefen oft enttäuschend. «Es werden dabei zwar Talente erkannt, die können, aber nicht jene, die wollen. Es entwickelt sich keine Dynamik, weil es sich um Einzelsportler handelt. Dabei sind jene, die wollen, auf die Dauer oft erfolgreicher als jene, die können. Sie gehen durch das einseitige Auswahlverfahren allerdings meist unentdeckt verloren.»

Im Alltag spielen solche Überlegungen keine Rolle. «Wir müssen nicht darüber jammern, was wir nicht haben, sondern mit jenen Kaderleuten arbeiten, die uns zur Verfügung stehen. Derzeit verfügen wir über drei Frauen und zwei Männer, die aufs Podest fahren können. Vor allem der Osten ist neben Italien stärker geworden», weiss Christian Rufer. Bis Ende November weilt er mit dem A-Team in den USA, bevor am 14. Dezember in Carezza die europäische Weltcupsaison beginnt.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 1001