KIRCHBERG. Da sitzen sie, in farbigen Stoffsesseln, die aus Stahlbergers Agglo-Miniatur «Rägebogesiedlig» stammen könnten, und warten. Warten auf den Moderator, der ihrer Co-Produktion zur Feier des 25-Jahr-Jubiläums von «Open- Ohr» den sinnigen Titel «Doppelter RittBerger» gegeben hat - benannt nach dem Sprung beim Eiskunstlauf - und der nun durch diese führen soll. Der Kunstgriff der Rahmenhandlung, mit dem sie diesen Co-Abend erst aufgleisen, versetzt Manuel Stahlberger und Joachim Rittmeyer in den Raum, in dem ihre Alltagsgrotesken spielen. Es sind Orte des Wartens, des Übergangs und des Transits, Zwischenorte, Nichtorte. Orte wie der Neumarkt-Komplex in St. Gallen, wo Stahlbergers erster Song des Abends spielt, der von der Unmöglichkeit handelt, die verlässlich schnellste Einkaufsroute durch einen Supermarkt zu finden.
Rittmeyers erste Nummer spielt dann vor dem Neumarkt, wo ein sonnenbebrillter Polizist die hochbetagte Frau Hirschy zu Messungszwecken über einen Fussgängerstreifen jagt, in der Hoffnung, sie bleibe einmal unter zehn Sekunden. Die Welt, sie erscheint diesen Figuren wie eine ungeheure Ansammlung von Waren und Zeichen, allesamt mit dem Potenzial ausgestattet, zu Fetischen alltäglicher Neurosen zu werden. Im Beruf, in den letzten Familienferien in Schweden, im öffentlichen WC. Frau Hirschys Gehbehinderung gerät dem Polizisten zum Gebrauchswert, die Ziffer auf dem Warteticket des Postschalters erhält in Sammlerhänden einen Tauschwert und die Werte der Jasskarten kommen in Stahlbergers Comic-Demontage durcheinander.
Rittmeyer, auch er Poet des Verschrobenen, leuchtet in den privaten Abgrund, der sich hinter Katzen-Suchplakaten auftut, und zeigt am Fakt, dass es jetzt auch schwarze Fliegenklatschen gibt, dass sich überhaupt die Objekte in der Welt ähnlicher werden.
Es sind zwei Generationen von Kleinkunst, die sich am Samstag in der Aula des Lerchenfeldschulhauses die Bühne teilen. Hier Rittmeyers klassisches Kabarett, sprachlich und darstellerisch virtuos, mit Konzertina bei den Liedern, dort Stahlberger, dessen Programm mehr Installationskunst ist, mit Synthesizern und Power-Point. Spätestens beim improvisierten Gemauschel, mit dem sie von der einen zur nächsten Nummer überleiten, zeigt sich wieder: Sie ähneln sich. Wie ihre Stoffe und all die Waren und Zeichen, deren Zirkulation die Welt ist.