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Immer ein bisschen mehr fordern

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Was vor 15 Jahren begann, gehört heute zum normalen Schulalltag. Das Angebot der ersten Stunde der regionalen Begabtenförderung, die «Schule+», feiert ihr 15-jähriges Bestehen.

Patricia Wichser

redaktion@toggenburgmedien.ch

Vor 15 Jahren stellten Abklärungen durch die Fachpersonen des Schulpsychologischen Dienstes (SPD) vermehrt eine Unterforderung bei in der Schule auffälligen Kindern und Jugendlichen fest. Die Schulpräsidien von Wattwil, Krinau, Lichtensteig und Ebnat-Kappel nahmen die Situation ernst und entwickelten zusammen mit dem SPD, Lehrpersonen und Eltern ein Konzept, welches die Bedürfnisse dieser Kinder und Jugendlichen aufnahm und mit geeigneten Massnahmen deren Situation verbessern konnte.

Statistisch betrachtet, sind zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler der Volksschulen besonders begabt, zwei Prozent werden als hochbegabt bezeichnet. Viele der besonders begabten Kinder und Jugendlichen absolvieren die Volksschule unauffällig und ohne Leidensdruck. Einige hingegen leiden an der Unterforderung. Für diese Kinder galt es, möglichst schnell ein spezielles Angebot zu schaffen. Schweizweit steckte die Förderung von Hochbegabten noch in den Anfängen. Grössere Schulen wie zum Beispiel Jona kannten aber bereits Angebote. Im Mai 2001 startete das Pullout-Angebot «Schule+» der Schulen Wattwil, Krinau, Lichtensteig und Ebnat-Kappel. Die Situation der betroffenen Primarschüler konnte damit massiv verbessert werden. Das Angebot «Schule+» ist Teil eines Gesamtkonzeptes der am Projekt beteiligten Gemeinden. Als Lehrerin für das Angebot «Schule+» konnte Ursula Saesseli, Fachperson für Begabungsförderung und Lerntherapie, gewonnen werden.

Gab es auch Widerstand von Leuten, die das für nicht notwendig hielten? «Ja, das gab es damals schon. Es gab auch solche, die behaupteten besonders Begabte gäbe es nicht», erklärt Ursula Saesseli. Gemäss dem kantonalen Auftrag an die Schule - die Kinder nach ihren unterschiedlichsten Begabungen und Gemütskräften zu fördern - haben die Begabten und die Hochbegabten genauso einen Anspruch auf Förderung wie alle anderen auch. Die «Schule+» ist heute dem Förderzentrum im Schulhaus Hofjünger in Wattwil angegliedert. Die Lehrpersonen wurden durch Weiterbildungen auf die Merkmale von Hochbegabten im Schulalltag sensibilisiert. «Bei Buben zeigt es sich häufig, dass sie in der Klasse den Clown machen», erklärt Saesseli. «Bei Kindern mit einer besonderen Begabung oder einer Hochbegabung kann ein Leidensdruck entstehen, genauso wie bei Kindern, die überfordert sind», macht sie deutlich. Die Abklärung, ob ein Kind hochbegabt ist, wird vom Schulpsychologischen Dienst gemacht.

Das Konzept Begabungsförderung der Schulgemeinden sieht vor, dass die Förderung der besonders Begabten integrativ, im Rahmen des ordentlichen Unterrichts in den Klassen erfolgt. Dank Weiterbildungen der Lehrpersonen und eines heute bestehenden Beratungsangebots zur integrativen Begabungsförderung konnte dieses Ziel erreicht werden. In den Schulhäusern gibt es verschiedenste Angebote integrativer Begabungsförderung. Trotzdem braucht es das Angebot «Schule+» nach wie vor.

«Schule+»: Begabte treffen auf ihresgleichen

Ursula Saesseli unterrichtet am Mittwochvormittag während vier Lektionen eine Gruppe von vier Kindern. Dritt- bis Sechstklässler besuchen dieselbe Gruppe. Für die Schülerinnen und Schüler ist es wichtig, auf andere besonders Begabte zu treffen. Sie erfahren, dass es andere Kinder gibt, die gleich schnell die Sachen begreifen und die Zusammenhänge erkennen. Das bestätigt sie und fordert sie gleichzeitig heraus. «Die Forschung beweist, dass die Leistungsfähigkeit steigt, je mehr man herausgefordert wird. Heute fällt es nicht mehr auf, wenn die besonders Begabten die ‹Schule+› besuchen, da andere Kinder auch in eine Förderung gehen, in die Logopädie oder Ergotherapie», weiss die Lerntherapeutin. Ausserdem gibt es in verschiedenen Schulhäusern Angebote von integrativer Begabungsförderung. Können die besonders Begabten nicht einfach eine Klasse überspringen? «Das ist nicht so einfach, denn die hochbegabten Kinder haben sozial und emotional den gleichen Entwicklungsstand wie normal begabte Kinder, das muss berücksichtigt werden», erklärt Saesseli.

Projekte, Vorträge und Knobeln

In der «Schule+» wird das Hauptgewicht auf Projektarbeiten gelegt. Vergangenes Jahr arbeiteten die Kinder gemeinsam an einem grossen Projekt zum Thema «Bionik». Sie forschten und experimentierten und präsentierten mit einer Ausstellung das Erforschte am Elternanlass. «Es ist wichtig, dass sie ihre Nachforschungen in etwas Handfestes umsetzen, das sie präsentieren können, auch in ihrer regulären Klasse», schildert die Fachperson für Begabungsförderung. Bei den Projektarbeiten können die Kinder die Themen selber aussuchen. Das können vom Aussterben bedrohte Tiere, Zahlensysteme, Fremdsprachen oder eigene Geschichten schreiben sein. In diesen Lektionen versteht sich Saesseli mehr als Coach denn Lehrerin. Sie unterstützt die Schülerinnen und Schüler in ihrem Projekt und fordert sie heraus. Neben den Projektarbeiten, wird auf hohem Niveau geknobelt, Mathe-Konferenzen gehalten und den alten, mathematischen Problemen auf den Grund gegangen. Weiter nimmt die Gruppe an Zeichnungs- oder Mathematikwettbewerben teil, was den Schülern viel Freude macht. «Wir sind keine Intelligenzschmiede», meint Ursula Saesseli.


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