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«Es braucht neue Räume»

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Der Kirchberger Schulratspräsident Orlando Simeon hat am 1. Januar 2015 sein Amt angetreten. Bereits im ersten Jahr musste er Hürden überspringen, mit denen er bei seinem Amtsantritt nicht gerechnet hat.

Herr Simeon: Die Zahl der Schülerinnen und Schüler ist in den letzten Jahren in Bazenheid sprunghaft angestiegen. Werden Kinder bald auf der Strasse unterrichtet?

Orlando Simeon: Nein, so weit sind wir noch nicht, Lösungen gibt es immer.

Sie haben an den Vorversammlungen sowie an der Bürgerversammlung aber auf das Raumproblem der Schule in Bazenheid hingewiesen. Wie kritisch präsentiert sich die Situation tatsächlich?

Simeon: Es ist sehr kritisch. Aufgrund der errechneten Zahlen werden wir in zehn Jahren 250 Schüler mehr als heute haben. Wir laufen schon jetzt am Anschlag und waren gezwungen, im letzten Sommer einen Pavillon beim alten Schulhaus an der Neugasse aufzustellen: Zusätzlich wird im Dachgeschoss des alten Schulhauses Raum für einen Kindergarten geschaffen. Ein weiteres Provisorium soll auch die Situation der Oberstufe entschärfen.

Reichen diese Massnahmen?

Simeon: Sie reichen aus, um die Situation für das Schuljahr 2016/17 zu entschärfen. Aufgrund der Zahlen müssen wir ab Schuljahr 2018/19 aber erneut einen Kindergarten eröffnen. Das wird dann der dritte neue Kindergarten innert vier Jahren sein. Dies wirkt sich in den Folgejahren auf die Klassenbestände in der Primarschule und der Oberstufe aus.

Braucht es in Bazenheid ein weiteres Schulhaus?

Simeon: Die in Auftrag gegebene externe Studie kommt zum Ergebnis, dass es ein zusätzliches Schulhaus braucht. Wie und in welcher Form dies geschehen wird, ob als Neu- oder als Anbau an bestehende Bauten, wird zurzeit abgeklärt. Uns bleibt keine andere Alternative, als zusätzlichen Schulraum zu realisieren.

Können Sie denn schon konkret sagen, wann in Bazenheid ein neues Schulhaus steht?

Simeon: Ich hoffe, dass wir mit den Arbeiten so weit vorankommen, dass die Bürger 2017 über einen Projektierungskredit abstimmen können. Jedes Jahr, das verlorengeht, müssen wir mit Provisorien überbrücken, das sind nicht zu unterschätzende Kosten. Im optimalen Fall rechne ich mit dem Bezug des Neubaus frühestens ab Schuljahr 2020/21.

Ist das Land an der Zäpfehusstrasse, das im Besitz der Schulgemeinde ist und vom FC Bazenheid als dritter Fussballplatz genutzt wird, eine Option?

Simeon: Zurzeit nicht, wir wollen die Schulhäuser möglichst zentral halten, damit die verschiedenen Räume und Turnhallen für alle, Schüler wie Lehrkräfte, gut erreichbar sind. So gesehen kommt uns entgegen, dass an der Neugasse noch Bauland vorhanden ist. Die Herausforderung wird sein, den Neubau so zu gestalten, dass die Bedürfnisse aller Schulstufen sinnvoll abgedeckt werden. Ein Beispiel: Im neuen Schulhaus an der Neugasse sind jetzt die Schulküche sowie die Handarbeit der Oberstufe untergebracht. Ab Schuljahr 2017/18 brauchen wir aber einen dieser Räume, weil eine zusätzliche 1. Klasse geführt wird. Die Handarbeit muss dann allenfalls wieder zurück ins Oberstufenschulhaus.

Was für Kosten kommen bei einem Neubau auf die Gemeinde zu?

Simeon: Man rechnet pro Schulzimmer mit rund 500 000 Franken. Dies beinhaltet die komplette Infrastruktur, auch Aula und Spezialräume. Zehn bis zwölf Schulzimmer werden im Minimum benötigt. Die Spezialzimmer sind darin aber noch nicht enthalten. Man rechne. Entscheidend wird auch sein, wann die Spitze erreicht ist. Die 250 Schüler mehr, wie oben beschrieben, werden wir nicht permanent haben. Die Kurve wird möglicherweise etwas zurückgehen, aber nicht allzu stark, weil in Bazenheid weiter gebaut wird. Ziel ist es, in rund 15 Jahren über so viel Schulraum zu verfügen, dass keine Überkapazitäten entstehen. Wir stehen auch in ständigem Kontakt mit dem Gemeinderat, weil sich dieser mit dem Start zur Einheitsgemeinde am 1. Januar 2017 auch mit der Thematik beschäftigen muss.

Gibt es Pläne, nicht mehr genutzte Schulräume an anderen Orten für Bazenheider Kinder zu reaktivieren? In Müselbach steht ab Sommer 2017 ein leeres Schulhaus.

Simeon: Das haben wir schon abgeklärt. Der Aufwand wäre aber viel zu gross. Wir müssten den Schulbetrieb mit zusätzlichen Schulbussen und mehr Personal abdecken. Der Raum in Müselbach wäre auch nur ein Tropfen auf dem heissen Stein.

Wie ist die Situation in den anderen Dörfern der Gemeinde?

Simeon: Wir haben die erwähnte Studie auch für Kirchberg, Dietschwil und Gähwil in Auftrag gegeben, um die Situation dort zu analysieren. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Lage nicht so dramatisch wie in Bazenheid ist. Entscheidend wird die Bautätigkeit sein. Ein kleiner Engpass entsteht im kommenden Schuljahr in Kirchberg. Wir benötigen einen zusätzlichen halben Kindergarten, den wir in der leerstehenden Wohnung im Kindergarten Dorf unterbringen. Schulraumreserve ist in allen drei Dörfern keine vorhanden.

Aufgabenhilfe, Klassenassistenzen, Schulische Heilpädagogen. Der Finanzbedarf der Schule nahm in den letzten Jahren massiv zu und wird sich weiter erhöhen. Können wir uns eine Schule in dieser Form überhaupt noch leisten?

Simeon: Ja, in jedem Fall. Wir müssen mit den Ressourcen aber sparsam umgehen. Das Ganze hat auch immer zwei Seiten. Man kann an der Entwicklung einer Schulkarriere sparen, bekommt die Quittung aber möglicherweise später präsentiert. Eine Studie besagt: was bereits im Kindergarten investiert wird, trägt später Früchte. Probleme, die früh abgefangen werden, stellen sich später nicht ein.

Nebst des Platzmangels kommen auch sprachliche Probleme hinzu. Wie hoch ist der Anteil fremdsprachiger Kinder in Bazenheid?

Simeon: Er liegt bei etwa 60 Prozent. Hier handelt es sich aber nicht nur um ausländische Kinder, die kein oder nur schlecht Deutsch sprechen. Wir stellen häufig fest, dass die Eltern, vielfach eingebürgert, gut Deutsch sprechen, zu Hause mit ihren Kindern aber weiter in ihrer Muttersprache reden. Viele Kinder kommen so in den Kindergarten, sind der deutschen Sprache aber nicht mächtig.

Gibt es Lösungsansätze?

Simeon: Wir haben begonnen, dass sich die Klassenassistenzen in den ersten Wochen intensiv mit diesen Kindern beschäftigen und ihnen auch die sozialen Umgangsformen beibringen. So werden die Kindergärtnerinnen entlastet. Eine weitere Herausforderung sind Kinder, die noch nicht lange hier leben und die nicht mit unserer Kultur vertraut sind.

Wirkt sich das auf den Schulbetrieb aus? Müssen Eltern Angst haben, dass ihre Kinder Schulstoff verpassen?

Simeon: Nein, das ist nicht so. Wir haben auf dem ganzen Gemeindegebiet qualitativ gute Schulen. Das ist überhaupt kein Thema. Mit flankierenden Massnahmen wird dafür gesorgt, dass für alle die gleiche Ausbildung gewährleistet ist.

Es ist nicht so, dass der Anteil Sekundarschüler in Kirchberg gegenüber Bazenheid höher ist?

Simeon: Der Anteil der Sekundarschüler in Kirchberg ist tatsächlich etwas höher. Begabte Kinder, in welchem Dorf auch immer, gehen aber mit den gleichen Chancen ins Rennen. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass praktisch alle Schülerinnen und Schüler nach Abschluss der Schulzeit eine Anschlusslösung finden - auch jene in Bazenheid. Das ist für mich entscheidend, und nicht etwa Sekundar- oder Maturitätsquoten.

Noch ein anderes Thema. Gibt es ein Konzept betreffend Tagesstruktur?

Simeon: Da sind wir mit einer Arbeitsgruppe dran. Diese setzt sich aus Schulrat, Schulrat Gähwil, Schulleitungen, Lehrpersonen, Gemeinderat und Elternrat zusammen. Sie eruiert Möglichkeiten. Es geht auch darum, die bestehenden Einrichtungen wie Spielgruppe oder Tagesstätte, die auf privater Basis betrieben werden, nicht zu konkurrieren. Es macht auch wenig Sinn, eine flächendeckende Tagesstruktur einzusetzen, sondern lediglich dort, wo Bedarf vorhanden ist.

Ist ein Bedarf denn ausgewiesen?

Simeon: Laut einer Umfrage, die zusammen mit der Fachhochschule in St. Gallen durchgeführt worden ist, wäre der Bedarf vorhanden. Nun gilt es diesen aber konkret abzuklären, denn die Umfrage war nicht verbindlich. Nach Erarbeitung eines Konzepts, das auch Preise und Leistungen beinhaltet, werden wir erneut auf die Eltern zugehen. Dann sehen wir, wie gross das Interesse effektiv ist. Zurzeit müssen wir aber Prioritäten setzen und diese heissen Informatik, Raumbedarf, Lehrplan 21 und Einheitsgemeinde.

Vor einigen Jahren war der Lehrermangel im Kanton St. Gallen ein Thema. Viele Lehrkräfte wanderten in den besser verdienenden Kanton Zürich ab. Hat sich die Situation entspannt?

Simeon: Sie hat sich entspannt. Wir haben auf freiwerdende Stellen quantitativ und qualitativ gute Bewerbungen. Wir haben im Moment keine Probleme, Stellen zu besetzen. Das sind aber Wellenbewegungen, das kann sich wieder ändern.

Lassen sich Unterschiede zwischen den einzelnen Schulstandorten feststellen?

Simeon: Nein, wir haben sogar Bewerber und Bewerberinnen, die sich explizit Bazenheid als Schulstandort wünschen. Das rührt daher, dass wir in Bazenheid sowohl im Kindergarten, an der Primarschule als auch an der Oberstufe viele Praktikumslehrer haben. Diesen gefällt es hier sehr oft so gut, dass sie sich dann auf unsere Stellen in Bazenheid bewerben. Die selbe Situation haben wir übrigens auch an allen Schulen in Kirchberg.

Sie sind nun 15 Monate im Amt. Macht Ihnen die Arbeit mit den vielen Baustellen Spass?

Simeon: Ja, sie bereitet mir viel Freude. Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich. Fast jeder Tag bringt neue Herausforderungen. Mich reizt es, lösungsorientiert zu arbeiten. Kein Tag ist gleich. Die verschiedenen Projekte sind sehr spannend. Die Schule ist ein Betrieb mit sehr vielen Facetten.

Was wünschen Sie sich für Ihre Schule in der Zukunft?

Simeon: Dass wir auch in Zukunft alle Herausforderungen so meistern, dass wir für die Schülerinnen und Schüler eine optimale Ausbildung sicherstellen können, damit sie für ihre Berufsausbildung gerüstet sind. Dazu gehört ein motivierter Lehrkörper, griffige Führungsstrukturen, eine optimale Infrastruktur und ein guter «Riecher», um zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Massnahmen die richtigen Entscheide treffen und umsetzen zu können.


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